Donnerstag, 3. Februar 2022

Actionthriller: Ronin (1998)

Sechs Fremde, ausgewiesene Experten, treffen sich in einem muffigen Lagerhaus im Herzen von Paris. Der Amerikaner Sam (Robert De Miro) ist Spezialist für Waffen und Strategie. Larry (Skipp Sudduth), ebenfalls Amerikaner, gilt als Genie hinter jedem Lenkrad. 

Der Engländer Spence (Sean Bean) verfügt über intimste Kenntnisse auch der allerneuesten Waffen-Technologien, der Ost-Deutsche Gregor (Stellan Skarsgard) ist ein Computer- und Elektronik-Guru, der Franzose Vincent (Jean Reno) schließlich ein Organisations-Talent erster Klasse.

Zusammengerufen hat dieses Experten-Quintett die Irin Deirdre (Natascha McElhone). Sie ist die Einzige, die Kontakt zum Auftraggeber der Gruppe hat.

Das Ziel ihres Auftrages ist ein ominöser Aluminiumkoffer, derzeit im Besitz von einem Händler für besonders heiße Ware. Neben den  Russen  und  der  IRA haben auch noch einige andere Gruppierungen, darunter auch Deirdres Auftraggeber, Interesse an dem Inhalt des Koffers.

Um an den Koffer zu kommen, ist eine gewaltsame Übernahme in Südfrankreich geplant. Dass es dabei Tote geben wird, gilt als sicher. Niemanden stört es. Das ist Alltag im Leben von so genannten Experten und Söldnern.

Sam, der Amerikaner, ist der erste, der dem Job mit Misstrauen begegnet. Ihm passt die Geheimnistuerei nicht, doch Deirdre hält ihn diesbezüglich auf Distanz. Sams ungutes Gefühl erhält eine erste Bestätigung, als ein geplanter Waffenkauf an einem Quai der Seine in Paris in einer Beinahe-Katastrophe mündet.

Die Händler, von denen das Experten-Team die hochmoderne Ausrüstung für ihren geplanten Auftrag übernehmen soll, haben einen Hinterhalt gelegt. Nur dank Sams Aufmerksamkeit, geht es ohne Verluste ab. Spence ist danach der erste aus dem Team, der aussortiert wird. Angst ist kein guter Verbündeter in diesem Geschäft.

Das restliche Team quartiert sich einen Tag später schon in der Nähe von Nizza ein. Hier residiert der Koffer-Träger mit seinen Bodyguards. Sam plant die 'Übernahme' des Objektes. Nach einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd quer durch die Berge, hinein in die engen Straßenschluchten Nizzas, klappt die Koffer-Übernahme, doch es kommt zu einer bösen Überraschung.

Denn gerade noch rechtzeitig ahnt Sam, dass in dem Alu-Gehäuse kein millionenschweres Geheimnis, sondern eine Bombe steckt. Irgendjemand hat das Team ausgetrickst. Aber wer hat den richtigen Koffer?

Schnell lernen Sam und Vincent, die langsam so etwas wie freundschaftlicher Respekt verbindet, dass sie niemandem trauen könne. In Arles finden und jagen sie den Verräter, hinter dem mittlerweile auch Deirdres Auftraggeber (Jonathan Pryce) gnadenlos herhetzt.

Sam wird bei einem Schusswechsel von einer Kugel getroffen, doch Vincent rettet ihn rechtzeitig. Wenige Tage später sind die Beiden in Paris. In der Seine-Metropole suchen und finden sie zweierlei: Den flüchtigen Verräter und den Koffer. Doch den zu bekommen ist so problematisch wie zuvor, denn immer neue Interessenten und Hintermänner mischen plötzlich mit im tödlichen Spiel.

Zum entscheidenden Showdown zwischen den Kontrahenten kommt es schließlich während der Gala-Vorstellung einer russischen Eis-Kunstläuferin (Katarina Witt)…

Die Hauptdreharbeiten zu „RONIN“ begannen am 3. November 1997 in einer verlassenen Firmenhalle in den Außenbezirken von Paris. Aufgrund der genauen Vorbereitung seitens der Filmemacher drehte die Crew bereits am ersten Tag über zwanzig Einstellungen, und legte damit eine flotte und präzise Gangart für den Rest des Drehplans vor.

Eine weitere Sequenz wurde in der Pariser U-Bahn-Station am Porte de Lilas gedreht, bevor das Filmteam dann am 17. November 1997 nach Arles weiterzog. Der zentrale Punkt, an dem in Arles gedreht wurde, war die antike Arena der Stadt, wo Hunderte von Statisten für eine der Schlüsselszenen von „RONIN“ zum Einsatz kamen. 

Nach Abschluss der Dreharbeiten in Arles zog die Crew weiter zur nächsten Station in Nizza. Dort wurde - unter der Aufsicht des erfahrenen Stunt-Supervisors und Rennfahrers Jean-Claude Lagniez und dem Stuntkoordinator Joe Dünne - in den engen Straßen der Altstadt von Nizza die erste der Autoverfolgungsjagden des Films gedreht.

Während die Crew in Nizza ihre Basis aufgeschlagen hatte, wurden außerdem Sequenzen beim luxuriösen Hotel Majestic in Cannes gedreht sowie im antiken Dörfchen La Turbie (zwischen Nizza und Monaco) und in der Stadt Villefranche.

Am 19. Dezember kehrte die Produktion für eine zweiwöchige Pause während der Ferien nach Paris zurück.

Am 5. Januar 1998 gingen die Dreharbeiten dann in den Studiohallen des Studios Eclair in Epinay weiter. Dort wurde unter der Aufsicht von Produktionsdesigner Hanan detailgetreu das Innere des ländlichen Farmhauses aufgebaut, in dem Sam sich von einer Verletzung erholt und die Legende von den japanischen Ronin hört.

Während dieser zentralen Phase der Produktion konnte Regisseur John Frankenheimer auf seine große Erfahrung mit Pariser Drehorten zurückgreifen. Er bezog so unterschiedliche Orte wie die Brücke Pont Alexandre III und den Friedhof Pere Lachaise mit ein sowie ein heruntergekommenes Fernfahrer-Cafe vor der Stadt, zahlreiche elegante Punkte entlang den Pariser Prachtstraßen Duquesne, Segur und Breteuil.

Eine weitere Serie spektakulärer Autostunts wurde in der Stadt gefilmt, die Drehorte reichten von der Brücke Pont de Garigliano über La Defense bis zum Champerret Tunnel

Der Höhepunkt des Films wurde unter der Teilnahme von fast 2.000 Statisten in der riesigen Arena des 'Zenith' gedreht. Nach dem Drehen einer komplizierten Hochgeschwindigkeits-Autoverfolgung in der Nähe von La Defense wurden die Hauptdreharbeiten zu „RONIN“ am 3. März 1998 abgeschlossen. Danach begann Regisseur John Frankenheimer mit dreiundzwanzig weiteren Tagen Arbeit, an denen er Second Unit-Szenen mit der zweiten Crew filmte, zu denen auch weitere umfassende Action-Sequenzen des Films gehörten.

Das Drehbuch zum Film  „RONIN“ entstand  aus der Faszination des Autors J. D. Zeik für die herrenlosen Samurai, den so genannten Ronin.

„Seit ich mit fünfzehn 'Shogun' gelesen hatte, war ich fasziniert von diesem Begriff der herrenlosen Samurai. Ich wollte das Konzept und den Titel für eine zeitgenössische Geschichte verwenden. Viele Jahre später in Nizza, einer der Schlüsselorte der Geschichte, starrte ich in die Sonne und sah die Silhouetten von fünf schwerbewaffneten Gendarmen, die über die Promenade des Anglais gingen. Dieses Bild machte mir klar, daß ich die Geschichte in Frankreich ansiedeln wollte.“ (1)

Diese Thematik war auch ganz nach dem Geschmack von Regisseur JOHN FRANKENHEIMER (1930-2002), der seit seinem ersten Frankreich-Dreh zu „DER ZUG“ im Jahr 1963 bereits mehrere seiner Filme dort inszeniert hatte. So unter anderem „GRAND PRIX“ (1966) und „FRENCH CONNECTION II“ (1975).

So versammelte Frankenhein für den Film „RONIN“ ein Schlüsselteam in Gestalt von Produktionsdesigner Michael Z. Hanan, Kostümdesignerin May Routh und Cutter Tony Gibbs um sich, mit dem er bereits öfters zusammengearbeitet hatte. Ein prominenter Neuzugang in Frankenheimers kreativem Team war dabei der Chefkameramann Robert Fraisse.

Bei der Umsetzung des Stoffes für die Kinoleinwand arbeitete auch Produzent Frank Mancuso, Jr. eng mit John Frankenheimer zusammen. Während des Drehs war er jeden Tag am Set, wo er sein umfassendes Wissen in allen Bereichen des Filmemachens einsetzen konnte.

„Normalerweise versuche ich, die Produzenten loszuwerden, was in der Regel nicht sehr schwer ist, denn sie sind sowieso nie da! Aber Frank war außerordentlich, und ich habe sehr gerne mit ihm gearbeitet. Er ist intelligent, hat mich enorm unterstützt, und unsere Zusammenarbeit hätte ich mir nicht besser vor-stellen können. Es gab nie ein Problem mit unseren Zuständigkeiten. Genaugenommen kann ich gar nicht sagen, wo Franks Arbeit begann und meine endete, oder umgekehrt.“ (2)

Eine Schlüsselkomponente für Frankenheimers Vorstellung des Filmes war es, die aufregenden und komplexen Stunt-Sequenzen auf die altmodische Art zu realisieren, ohne das Zutun digitaler Tricks.

„Wir haben die Stunts auf eine Weise gedreht, die das Publikum mitten in die Action hineinversetzt. Die Spannung, die daraus entsteht, reißt einen mit, ohne daß es diese 'erstaunlich-aber-völlig-unrealistische' Effekthascherei ist, die man heute in den meisten Filmen sieht. Es ist ein hyper-realer, sehr direkter Actionfilm.“ (3)

Frankenheimer wollte zudem, dass die Hauptdarsteller während der meisten der spektakulären Autoverfolgungen selbst in den Wagen saßen, was einiges an Training, Übung und Stuntarbeit erforderte.

„Wir machten etliche Orientierungsübungen bei Hochgeschwindigkeit, um für die Autoverfolgungsjagden zu trainieren, aber es hat mich nicht darauf vorbereitet, wie angsteinflößend es wirklich sein würde.

Nachdem wir die ersten Sequenzen gedreht hatten, sagte ich zu John Frankenheimer; 'ich habe Shakespeare gespielt, ich habe Tschechov gespielt, und jetzt habe ich Angst gespielt!» Was mich anging, mußte ich da nicht schauspielern, glauben Sie mir...“(4)

In „RONIN“ kommen auch mehrere Sequenzen mit Schusswechseln in den Straßen von Paris vor. Mick Gould, ein technischer Berater, trainierte die Schauspieler des Films in den Methoden und Vorgehensweisen von Guerillatruppen und brachte ihnen bei, wie sie realitätsgetreu ihre verschiedenen Waffen zu handhaben und abzufeuern hatten.

Gould, ein Spezialist für Militäreinsätze, hat in verschiedenen Trainingsbereichen für Kampfeinsätze, wie zum Beispiel Nahkampf und Ausweich- und aggressives Fahrtraining gearbeitet. Er brachte den Schauspielern zudem genauestens bei, wie sie Waffen abzufeuern hatten und klärte sie auch über das Verhalten von terroristischen Gruppen auf.

Und die Kampf- und Verfolgungsszenen effektvoll ins Bild zu setzen verwendete Chefkameramann Robert Fraisse und sein Team bei der Hälfte der Einstellungen Steadicams, da die Beweglichkeit dieser Kameratechnik es erlaubte, den Schauspielern ständig zu folgen, was dem Ganzen das realistische Aussehen eines Dokumentarfilms gab.

„Wir hätten dies auch durch die traditionelle Technik mit Dollys und Schienen tun können, aber dann hätte es sehr viel länger gedauert, die Einstellungen vorzubereiten, und es wären langwierige Proben erforderlich gewesen. David Crone, unser Steadicam-Kameramann, arbeitete so effizient, seine Bilder sind so stabil und seine Kompositionen so fehlerfrei, daß es unmöglich ist, die Steadicam-Einstellungen von den normalen Kameraaufnahmen zu unterscheiden.

Der Film hat sehr viele Gruppenszenen, in denen John zwei, drei oder sogar vier Schauspieler gleichzeitig einfangen wollte, alle in verschiedenen Abständen zur Kamera.

Um diesen Effekt zu erzeugen, drehten wir in Super 35 mm mit Weitwinkelobjektiven, denn diese Objektive erlaubten uns, scharfe Bilder in der gesamten Tiefe des Bildes zu bekommen, während wir den Schauspielern die Freiheit lassen konnten, sich innerhalb des Bildausschnittes zu bewegen.“ (5)

„RONIN“ zählt ohne Zweifel zu einen der interessantesten 'Action-Filme' der 1990er Jahre, auch weil es dem Regisseur JOHN FRANKENHEIMER nicht nur gelingt, eine ausgewogene Mischung aus Thriller und Action-Film zu präsentieren, sondern auch weil der Film Anleihen an den klassischen französischen Kriminalfilm und an den Film Noir nicht verleugnen kann bzw. will, die hervorragend zum bisweilen düsteren Stil und zur düsteren Atmosphäre von „RONIN“ passen.

Regisseur John Frankenheimer setzt im ganzen Film auf nachvollziehbare und realitätsnahe Action-Szenen bzw. Action, die gradlinig und bisweilen atemberaubend, aber nichtsdestotrotz klassisch in Szene gesetzt wurden, ohne den üblichen digitalen Schnickschnack und der übertriebenen Effekthascherei, die das Action-Genre sonst so dominiert und bisweilen der Lächerlichkeit preisgibt.

Zudem explodieren in „RONIN“ Dinge nicht ohne Grund bzw. zur Unterhaltung der Zuschauer oder der Massen, sondern hinter jeder der Explosionen, die zudem wohldosiert im Film zur Geltung kommen, und eingesetzt werden, steckt ein 'Grund', warum etwas explodiert.

Auch wird in „RONIN“ nicht geballert, weil es den Figuren Spaß macht oder sie das Töten lieben (sieht man mal von Gregor gespielt von Stellan Skarsgard ab), sondern die Protagonisten des Films greifen ‚nur‘ zu ihren Waffen, wenn sie ihre Gegner schlicht weg ausschalten wollen bzw. sich verteidigen müssen.

Denn Töten oder getötet werden lautet die Devise im 'Söldnergeschäft' von „RONIN“. Und dabei  gehen die Protagonisten auch schon mal über Leichen, um ihren Auftrag zu erfüllen, und an das Objekt ihrer 'Begierde' zu gelangen.

So sind es dann auch nicht die Actionszenen, die den Film dominieren, sondern es wird tatsächlich eine Geschichte von Regisseur John Frankenheimer erzählt,  die sich auf die Schauspieler des Films konzentriert.

Hauptaugenmerk liegt dabei natürlich auf die beiden Hauptdarsteller ROBERT DE NIRO und JEAN RENO und deren Beziehung zu einander, die die beiden 'Söldner' Sam und Vincent sehr überzeugend spielen.

Zudem ist die Leinwandpräsenz dieser beiden Mimen im ganzen Film nicht zu übersehen und durchweg zu spüren. Sie füllen ihre Rollen - auch durch ihre 'physische' Präsenz - aus, ohne zu übertreiben oder ins unrealistische abzudriften.

Dabei fungiert Robert de Niro als Sam zu Beginn des Films wie eine Art 'Erzähler' ohne ein Wort dabei zu sagen. Mit ihm beginnt der Film in einem Lokal. Und interessanterweise endet „RONIN“ auch in einem Lokal, an dessen Ende nun Jean Reno als Vincent die Aufgabe von Sam übernimmt und die Rolle des 'Erzählers' übernimmt und abschließende Worte an die Zuschauer richtet, um diesen das dreckige Geschäft, in das Sam und Vincent im Auftrag ihrer beider Länder verwickelt sind,  zu 'erklären'.

© by Ingo Löchel

  • (1) J. D. Zeik
  • (2) Frank Mancuso, Jr.
  • (3) Jonathan Pryce
  • (4) Chefkameramann Robert Fraisse
  • (5) John Frankenheimer



Ronin
GB/USA 1998

Stab

  • Regie: John Frankenheimer
  • Drehbuch: J. D. Zeik und David Mamet
  • Kamera: Robert Fraisse
  • Schnitt: Antony Gibbs
  • Musik: Elia Cmíral

Darsteller

  • Robert De Niro: Sam
  • Jean Reno: Vincent
  • Natascha McElhone: Deirdre
  • Stellan Skarsgård: Gregor
  • Sean Bean: Spence
  • Jonathan Pryce: Seamus O’Rourke
  • Skipp Sudduth: Larry
  • Michael Lonsdale: Jean-Pierre
  • Katarina Witt: Natacha Kirilova
  • Féodor Atkine: Mikhi

FSK: Ab 16 Jahren
Laufzeit: 122 Minuten

Kinostart: Am 3. Dezember 1998


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