Freitag, 31. Dezember 2021

Jerry Cotton: Schüsse aus dem Geigenkasten (1965)

Die FBI-Agenten Jerry Cotton (George Nader) sowie  Phil Decker (Heinz Weiss) erhalten vom New Yorker FBI-Chef Mr. High (Richard Münch) den Sonderauftrag, eine Bande von Raubmördern zur Strecke zu bringen. 

Ein Anruf bringt Cotton auf eine heiße Spur. Eine Frau namens Mary (Heidi Leupolt) berichtet, dass ihre Schwester Kitty (Sylvia Pascal) mit einem der Verbrecher namens Cristallo (Hans E. Schon) befreundet sei und sich in Gefahr befände.

Kurz darauf wird Mary das Opfer eines Anschlages. Bevor sie stirbt, verrät sie Jerry Cotton noch, das Kitty in einer Bowlingbahn in New York zu finden ist.

Dort erscheint Cotton in Gestalt als Jimmy Logan. Nach einer kleinen Schlägerei engagiert ihn Cristallo, der Chef der Bande, der den Fremden für einen gesuchten Verbrecher hält und  erzählt ihm vom Plan für einen neuen Raubüberfall.

Die anderen Mitglieder der Bande sind mit Cristallos Entscheidung den Neuankömmling zu beteiligen, nicht einverstanden und verabreden, den lästigen Mitwisser zu beseitigen.

Als das Fernsehen aber meldet, der Fremde werde als Haupttäter der ungeklärten Raubmorde gesucht, sind sie milde gestimmt und schicken Cotton mit Kitty zum Flughafen.

Während der Fahrt erfährt die Freundin Cristallos von der Ermordung ihrer Schwester Mary. Daraufhin erzählt sie dem FBI-Agenten, dass der neue Überfall nicht erst am Abend, sondern in den nächsten Minuten stattfinden werde.

Jerry jagt zum Tatort, wo zwei Banditen haben in einem Schulkeller eine Zeitbombe gelegt haben, die Cotton in letzter Minute unschädlich machen kann, während Kitty die Kinder in Sicherheit bringen kann. 

Im Schutz der Explosion wollten die Gangster im Hause gegenüber die Betondecke des Dachbodens sprengen und das Kunstkabinett eines reichen Sammlers ausräumen. Obwohl der erste Teil des Planes durch Jerry vereitelt wurde, führen sie ihren Raub trotzdem aus. Dabei wird wieder ein Mord begangen.

Mit Beute und Geigenkasten fliehen sie über die Dächer. Jerry folgt ihnen auf den Fersen und gelangt, nachdem er den Gangster Percy vor dem Absturz bewahrt hat, mit diesem zu dem geheimen Treffpunkt der Gangster…

Nachdem sich Waldfried Barthel (1913-1979), der Geschäftsführer der Constantin, 1963 die Verfilmungsrechte an der Heftroman-Serie „JERRY COTTON“ gesichert hatte, begannen  die Vorbereitungen  zu „SCHÜSSE AUS DEM GEIGENKASTEN“, dem ersten Jerry Cotton-Film der neuen Filmreihe.

Für das Drehbuch wurde GEORG HURDALEK (1908-1980) engagiert, der für den Film eine ganz neue Geschichte kreierte, die auf keine der bisher erschienenen Cotton-Romane im Bastei Verlag basierte.

Als Regisseur wählte man schließlich FRITZ UMGELTER (1922-1981) aus, da Regisseure wie Alfred Vohrer, Harald Reinl, Jürgen Roland oder Helmut Ashley nicht zur Verfügung standen.

Mit der Besetzung des Films bewiesen die Macher ein glückliches Händchen, die die Schauspieler mit Bedacht aussuchten.

Nachdem man nach HELGA SCHLACK und RICHARD MÜNCH (1916-1987) die besten Darsteller für die Rolle der Assistentin Helen sowie des Mr. High gefunden hatte, folgte die Besetzung der Rolle des Phil Decker.

Aus zwanzig Bewerbern wurde schließlich HEINZ WEISS (1921-2010)  für die Rolle ausgewählt, wobei vermutlich auch Fritz Umgelter bei der Auswahl des Schauspieler seine Hände im Spiel hatte, der mit Weiss Ende der 1950er Jahre den TV-Erfolgs-Mehrteiler „SOWEIT DIE FÜSSE TRAGEN“ gedreht hatte.

Nachdem die Besetzung des Films gefunden worden war,  war die Zeit gekommen, um einen perfekten JERRY COTTON - Darsteller ausfindig zu machen.

Vermutlich auch aufgrund des Erfolges der Fernsehserie „SHANNON KLÄRT AUF“ beim deutschen Fernsehpublikum, entschied man sich schließlich für den US-amerikanischen Schauspieler GEORGE NADER (1921-2002), der in der TV-Serie die Titelrolle spielte.

„Sie arbeiten beide an der Untersuchung und Aufklärung von Verbrechen. Ich finde, daß Jerry Cotton zu spielen noch ein wenig interessanter ist als Joe Shannon, der ein Privatdetektiv ist. Daher steht er allein, auf sich selbst gestellt.

Er hat keine Rückendeckung wie Jerry Cotton durch die Regierung der USA. Shannon hat begrenzte Macht, wogegen Jerry Cotton den Apparat, die Labors und modernen technischen Hilfsmittel des FBI zur Verfügung hat, die Archive, Untersuchungsmöglichkeiten in den USA und sogar in anderen Ländern.

Trotzdem gibt ihm diese Macht im Rücken nicht etwa mehr Freiheit. Im Gegenteil. Er steht im Brennpunkt des öffentlichen Interesses und kann sich keinen Trick, keinen faulen Zauber erlauben. Ihm schreibt das Gesetz vor, was er tun kann und lassen muß.

"Ich habe Mr. Shannon gerne gespielt, aber ich bin sehr glücklich, jetzt gewissermaßen „avanciert" zu sein und nun schon zum zweiten Mal Jerry Cotton zu spielen." (1)

George Nader wurde daraufhin von Manfred Barthel, dem neuen Produktionschef der Constantin (von 1963-1976), nach München eingeladen, wo Nader schließlich einen Vertrag über erst einmal vier Jerry Cotton-Filme unterschrieb.

"Sie waren wohl ganz froh, einen amerikanischen Schauspieler engagieren zu können, und so wurde ich nach München eingeladen. Nachdem ich mich über den Erfolg der Jerry Cotton-Romane aufklären ließ, haben wir einen Vertrag über zunächst vier Filme gemacht." (2)

Um die Filme produzieren zu können, fand die Constantin einen deutschen Partner, in Gestalt von HEINZ WILLEG (1918-1991), der 1964 die ALLIANZ FILM mit Sitz in Berlin gründete und danach ausschließlich bis 1974 Filme für die Constantin produzierte.  Um auch international Produktionskosten zu erhalten, schloss man für die ersten vier Cotton-Filme Produktionsverträge mit französischen Partnern in Gestalt der Les Films Astoria sowie mit der Prodex ab.

Für die Titelmusik des Films hatte Waldfried Barthel bestimmte Vorstellungen, die er umgesetzt haben wollte.  Er bat daraufhin den Komponisten PETER THOMAS einen Marsch zu komponieren.

"Ich bitte Sie, dass wir als Filmsong einen Marsch machen und der erklingt immer dann, wenn das Gute siegt. Vorher hat die Person des Jerry Cotton das ale Thema!" (3)

Peter Thomas ging daraufhin nach Hause und komponierte den Marsch. Bei den Aufnahmen im Tonstudio der Bavaria-Film probierte Thomas etwas aus, weil ihm der bloße Marsch noch nicht gefiel.

"Ich sagte: 'Jetzt machen wir Folgendes. Du spielst es dem Tonmeister vor, der spielt das alles noch mal rein und wir laufen im Kreis rum und pfeifen.' Dann  liefen wir alle im Kreis herum, bis wir beinahe umgefallen sind, und pfiffen dazu. Das klingt manchmal verkehrt und das hat natürlich einen irrsinnigen Livecharakter. Weil ich mir gesagt habe, es ist ähnlich wie der River-Kwai-Marsch." (4)
Die Außenaufnahmen von „SCHÜSSE AUS DEM GEIGENKASTEN“ entstanden vorwiegend in Hamburg, wo es Hochhäuser und Gebäude gab, die an die Häuser der Ostküste erinnerten. Die Innenaufnahmen wurden im Studio Hamburg gedreht.

Aufnahmen aus den USA, die ein spezielles Aufnahmeteam dort gedreht hatte, wurden zudem recht geschickt, in den Film eingefüg.

Zudem wurde in „SCHÜSSE AUS DEM GEIGENKASTEN“, wie auch in den meisten nachfolgenden Jerry Cotton-Filmen, mit Rückprojektionen und Traveling Matte gearbeitet.

Hierbei wurden Bildvorder- und Bildhintergrund getrennt voneinander aufgenommen. Zumeist wurde das Geschehen im Bildvordergrund vor einer einfarbigen, oft blauen Farbfläche gefilmt.

Anschließend wurde der Vordergrund auf den Hintergrund einkopiert. Ein bekanntes Beispiel für diese Technik ist das Fahren mit dem Auto, bei dem das Straßengeschehen vor Ort und das Fahrzeug im Studio aufgenommen wurde.

Am 6. Mai 1965 feierte „SCHÜSSE AUS DEM GEIGENKASTEN“ in der Lichtburg in Essen seine Film-Premiere. Der Film kam sehr gut bei den Kinozuschauern an, was nicht nur an den gut ausgesuchten Schauspielern des Films lag, sondern auch an der ohrwurmartigen Musik von PETER THOMAS, der mit dem JERRY COTTON-MARSCH einen Klassiker schuf. Ähnlich wie das Thema aus den Karl May-Filmen von Martin Böttcher oder das James Bond-Thema von John Barry.

Dem Regisseur Fritz Umgelter gelang mit dem Film „SCHÜSSE AUS DEM GEIGENKASTEN“ ein sehr gut Start der Jerry Cotton-Reihe,  was zum einen an seiner sehr gut geführten Regie und den sehr gut ausgewählten Darstellern des Films liegt, zum anderen aber auch an der gut durchdachten Geschichte, die Drehbuchautor Georg Hurdalek verfasst hat.

 © by Ingo Löchel

  

  • (1)    George Nader
  • (2)    George Nader
  • (3)    Waldfried Barthel
  • (4)    Peter Thomas


Schüsse aus dem Geigenkasten
BRD/Frankreich 1965
 
Stab

  • Regie: Fritz Umgelter
  • Drehbuch: Georg Hurdalek
  • Kamera: Albert Benitz
  • Schnitt: Klaus Dudenhöfer
  • Musik: Peter Thomas

Darsteller

  • George Nader als Jerry Cotton
  • Heinz Weiss als Phil Decker
  • Sylvia Pascal als Kitty Springfield
  • Helga Schlack als Helen Calvert
  • Richard Münch als Mr. High
  • Helmut Förnbacher als Percy
  • Philippe Guégan als Sniff
  • Hans E. Schons als Christallo
  • Hans Waldherr als Babe
  • Heidi Leupolt als Mary Springfield
  • Franz Rudnic  als  Dr. Kilborne
  • Robert Ratke als Latschek

FSK: Ab 16 Jahren
Laufzeit: 90 Minuten

Uraufführung: Am 6. Mai 1965 in der Lichtburg in Essen


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