Ingo Löchel: Frau von Friedl. Sie gaben bereits als siebenjährige Ihr Filmdebüt. War das in dem Film "Der geheimnisvolle Wilddieb" oder in "Der fidele Bauer"?
Mit Außenaufnahmen am Grundlsee in Österreich. Da wir als Kindergruppe, es gab auch noch größere Kinder bei diesen Dreharbeiten, und ich natürlich als Jüngste sehr verwöhnt wurden, es gab Hershie Schokolade, etwas Unerreichbares für Kinder nach dem Krieg, waren diese vielen Wochen ein wundervolles Erlebnis, an das ich mich bis heute erinnere.
Durch meinen Vater, der Kameramann Fritz von Friedl, der auch für die Engländer damals zu tun hatte, waren wir schon des Englischen mächtig, was auch ein Grund war, warum die Wahl auf meinen Bruder und mich fiel.
Ingo Löchel: War es von Anfang an Ihr Wunsch gewesen, Schauspielerin zu werden oder hatten Sie einen anderen Beruf ins Auge gefasst?
Loni von Friedl: Ich war ja schon sehr früh durch den Ballettunterricht und durch die Theater-Kindergruppe Linck bin ich ja schon früh mit de Bühne in Berührung gekommen. Mein erster Auftritt bei der Theater-Kindergruppe Linck war als kleines „Wackelschwänzchen“ in „Osterhas in Nöten". Diesen ersten besonders witzigen Vertrag habe ich heute noch!
Hinzu kam, dass ich durch meinen sportlichen und aufmerksamen Vater, eine wunderbare Kinderzeit mit Ausflügen und viel Sport (wie Schwimmen) an der alten Donau und im Hietzinger Strandbad verbracht habe. Ich war durch mein Tanztraining sehr trainiert, und sprang auch schon mit Saltos vom 7 m Brett!
Das erwähne ich deshalb, weil es so wesentlich für mich gewesen ist, denn ich wuchs sehr glücklich und frei heran, konnte meinen künstlerischen sowie sportlichen Interessen und Ambitionen nachgehen, sehr unterstützt durch mein Elternhaus. So entwickelte sich sehr natürlich mein Interesse an Tanz und Schauspiel. Aber es war noch nichts entschieden.
Ingo Löchel: Wie ging es weiter?
Loni von Friedl: Mit 15 Jahren bekam ich die Möglichkeit, als Elevin an das Wiener Burgtheater von Prof. Ulrich Bettac engagiert zu werden. Ich war durch eine Fernsehsendung "Krach im Hinterhaus", die damals auch noch „Live“ aufgezeichnet wurde, und durch „Brillanten aus Wien“ mit Peter Weck aufgefallen. Ich hatte aber auch schon als Kind einige kleine Rollen in österreichischen Kinofilmen mitgespielt. So war dann alles irgend wie vorgezeichnet!!!
Ingo Löchel: In welchem Stück gaben Sie dort Ihr Bühnen-Debüt und mit welcher Rolle?
Loni von Friedl: Da man an der Burg wohl Nachwuchs brauchte, spielte ich als erste Rolle die Tochter von Curd Goetz und Valerie Martens in „Alte Möbel". Beide waren so freundlich und besonders aufmerksam mit mir. Und ich wurde auch danach weiterhin mit bezaubernden Kartengrüßen von ihnen beschenkt. Überhaupt war die Begegnung mit den ganz GROSSEN der Burg ein großes Ereignis für mich.
Besonders prägend für mich, war die Rolle in dem Stück "Stella". Darin durfte ich die Tochter von PAULA WESSELY spielen. Sie bei den Proben zu beobachten, das war der SCHLÜSSEL überhaupt. Ihre Hingabe an den Beruf, bei den Proben, dass man schon Probenkostüme bekam, wie sie mit dem klassischen Text umging, ihre Herzenstöne wie man es nannte. DAS war’s!!! Ich habe sie heute noch im Ohr!!!!
Sie schrieb mir dann eine Widmung „…auch manchmal den schwereren Weg gehen“. Und sie war es auch die mir dann in den späten 70iger Jahren, nach meiner gescheiterten 1. Ehe durch eine wundersame Begegnung und Fügung mich zu Boy Gobert ans Thalia Theater empfahl…und damit mir die GLÜCKREICHSTE Zeit am Theater bescherte !
Ich am Thalia Theater dann die Entwicklung mit den schönsten klassischen und auch modernen Bühnenrollen. Dorf fand ich auch das Lebensglück mit meinem 2. Mann Jürgen Schmidt, mit dem ich z.B. „Fräulein Julie „ spielte. Ich die Julie, er den Diener Jean!
Ingo Löchel: 1960 eroberten Sie die Herzen des deutschen Theaterpublikums und der deutschen Theaterkritiker mit der Rolle des Kätchens von Heilbronn auf den Hersfelder Festspielen. War das Ihre erste Rolle auf einer deutschen Bühne?
Loni von Friedl: Nein. 1959 holte mich Prof. Fritz Schuh, der damalige Intendant in Köln, der mich nach einem Vorsprechen in der Wiener Staatsoper, wo er damals inszenierte, an die Städtischen Bühnen Köln holte.
In dem ja also, in dem ich gerade als Elevin an die Burg engagiert worden war. Ich hatte auch inzwischen privaten Schauspiel Unterricht bei Frau Prof. Vera Balser–Eberle und wurde von der Burg beurlaubt um in Köln in dem Stück "Unsere kleine Stadt" die Emily zu spielen.
Ein sehr schwerer Weg, denn ich kam mit dem Regisseur überhaupt nicht klar. Und wäre nicht Prof. Schuh gewesen, der an mich glaubte, hätte ich mir den weiteren Weg als Schauspielerin gar nicht mehr gewünscht, denn ich hätte es nicht überlebt! Aber das Theater-Wunder passierte, denn ich traf immer wieder Menschen, die mich beschützten, und ich hatte einen Riesenerfolg!!!
In Köln spielte ich nach meinem Erfolg noch in dem Stück "Sommer der 17. Puppe" und im Sommer der darauf folgte, spielte ich in Bad Hersfeld „Das Käthchen von Heilbronn“, mit einem wunderbar sensiblen Regisseur.
Und mit dieser Figur passierte das erste Mal für mich was es bedeuten kann mit Text von Kleist und dieser Figur eine totale Einheit zu werden. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich 1975 mit der Rolle der „Heiligen Johanna“ von Shaw. Und die Resonanzen darauf war ähnlich überwältigend.
Ingo Löchel: Anfang der 1960er Jahre fing dann Ihre deutsche Filmkarriere an.
Loni von Friedl: Richtig. Ich hatte ab 1960 das große Glück einer wirklich bedeutenden Agentin Frau ELLI SILMANN kennen zu lernen, die aus USA kommend mich in ihre Agentur aufnahm und mich unter ihre Fittiche nahm. Sie steuerte meine damals mit „Der Schulfreund“ beginnende Deutsche Kinokarriere.
Wir konnten damals mit dem Burgtheater eine Vereinbarung treffen, dass ich neben der Wiener Burgzeit, auch unbezahlten Urlaub erhielt, um wo anders Theater zu spielen, oder Filme zu drehen.
Denn so reizvoll diese Filmkarriere aussah, ich wollte niemals mein Theater aufgeben, denn das war und blieb mir das WESENTLICHSTE. Ich wusste nur da kann ich LERNEN, mich mit Figuren auseinander zu setzen und auch mich zu entwickeln. Von den Mädchenrollen dann übergehend ins Frauenfach, was dann am Thalia Theater auch stattfand!
Mit z.B. Susanna im "Tollen Tag", "Kabale und Liebe" (Lady Milford ), Julie in "Frl. Julie", die Minna in "Minna von Barnhelm", die Lady de Winter in "Drei Musketiere" oder die Patty in Edward Bonds "Der Irre".
Ingo Löchel: Welche Filme aus dieser Zeit blieben Ihnen besonders in Erinnerung?
Loni von Friedl: Meine Filme die mir besonders in Erinnerung sind und die auch wirklich große künstlerische Erfolge waren, das war 1961 "Zwei unter Millionen" mit Hardy Krüger, und Walter Giller!
1961!!! Im Sommer und Jahr des Mauerbaus in Berlin!!! UNVERGESSEN durch meine Partner und die POLITISCHEN DRAMEN in der Stadt Berlin!!! Dieser Film ist ein Zeugnis des Berlins aus diesen Tagen, eine berührende Liebesgeschichte. Sowie der Kinofim "Die Schatten werden Länger" mit dem großen Regisseur Ladislao Vajda. Darin spielte ich ein schwer erziehbares Mädchen!
Diese beiden Kinofilme brachten mir 1962 den Deutschen Bundesfilmpreis, den Kritiker Preis und den Bambi! Zu einer Zeit, als es nur DIESE PREISE und keine „Preisschwemme“ gab, wie heutzutage. Also waren diese Preise damals eine sehr, sehr große Auszeichnung!!!
Ingo Löchel: Sie konnten doch sicherlich während dieser Zeit eine Menge Erfahrungen bei den älteren Kollegen sammeln?
Loni von Friedl: Meine Erfahrung aus dieser Zeit, war, dass man trotz des jungen Alters von den großen und schon sehr berühmten Kollegen (wie Hans Jörg Felmy, Barbara Rütting oder Herrn Rühmann ) immer respektiert wurde, gerade wenn sie merkten, da ist was fundiertes, ernsthaftes an der junger Schauspielerin vorhanden.
Ich war zusammen mit Karl Michael Vogler in dieser amerikanischen Produktion von Deutscher Seite besetzt, denn der Film spielte ja im ersten Weltkrieg in der Flieger Staffel von Richthofen.
"Blue Max" (Der blaue Max) drehte ich 1966 in England und Portugal. Es war eine spannende Space –Geschichte, die ich aber auch aus dem Script heraus nicht wirklich schlüssig fand. Das fand wohl auch das Publikum…but we had a great time!!!
Und wieder kam mir bei diesem Film zu Gute, dass ich glänzend Englisch sprach. Aber ich wollte NIE FILMSTAR werden. Ich wollte eine wirklich gute, anerkannte Bühnenschauspielerin werden. Was mir glaube ich auch –in aller Bescheidenheit – gelang!
Ich sollte auch gleich im Anschluss noch andere Internationale Stoffe drehen, u. a. mit Joseph Losey. Da kam aber 1966 die ungeplante Schwangerschaft mit Tochter Tanja "dazwischen", die am 5. Dezember 1966 in Wie geboren wurde. Und auch die erste Heirat. Man dachte ein Kind sollte VATER und Mutter bei der Entwicklung zur Seite haben.
Das Leben entwickelt oft einen sehr anderen Plot, als man es sich wünschte, oder vorstellte! Und mit 23 ist man naiv genug zu glauben ALLES im Leben ist nur gut! So kannte ich es aus meinem "zu Hause in Wien". So wurde Berlin zwar ab 1966 Lebensmittelpunkt dann, aber nie mehr mein "zu Hause", und Hamburg Rückblickend meine GLÜCKSSTADT!!! Privat, sowie Beruflich!
Ingo Löchel: Wurden Ihnen seitens der Amerikaner weitere Filmverträge angeboten?
Loni von Friedl: Ich hatte 2x die Chance für sogenannte 7-Jahres-Filmverträge mit 20th Century Fox und Ufa – Filmhansa zu arbeiten. Heute Rückblickend platzten beide Verträge Gott sei Dank!!! Denn wie gesagt meine Utopie war nicht Filmstar zu werden!!!
Ingo Löchel: Gab es ein besonderes Ereignis in Bezug auf Ihre lange Bühnen- und Filmtätigkeit, an die sich bis heute noch besonders gut erinnern?
Loni von Friedl: Ich hatte noch eine wunderbare Begegnung am Schillertheater in Berlin 1980 mit Martin Held als Big Daddy, ich als Maggie in „Katze auf dem heißen Blechdach“.
Dem voraus ging schon eine Gastspielzeit in den 70iger Jahren an den Staatlichen Schauspielbühnen…mit sehr interessanten Figuren von Tchechow, Schnitzler und Gorki und der höchst unerfreulichen Konfrontation mit Intendant Hans Lietzau, die mit einer bösen Intrige durch meine damalige Schwiegermutter Frau Berta Drews, mir nicht nur den damaligen Vertrag, sondern auch dann meine erste Ehe kostete!!!
Aber alles ist für mich trotzdem GLÜCKLICH ausgegangen, und so ging ich dank Paua Wessely’s Empfehlung ans Thalia Theater, und traf das Glück meines Lebens, meinen 2. Mann. Aber der „schwere Weg“ auch von Frau Wessely eingefordert war noch nicht zu Ende gegangen, denn mein Mann und auch Partner in vielen Bühnenarbeiten Jürgen verstarb 2004 an Leukämie!
Ingo Löchel: 2007 und 2010 standen Sie als Bette Davis in dem Stück "Solo für Bette" auf den Bühnen in Hamburg und Berlin, an dem Sie mitgeschrieben haben. Wie kam es zu der Idee zu dem Stück?
Loni von Friedl: Die Zeit nach dem Tod meines Mannes war eine so entsetzliche dramatische Zäsur, dass ich mich kaum wieder erheben konnte von diesem Schlag. Da begegnete ich Herrn Horst Königstein, Schöpfer großer TV- und Theater-Werke, Regisseur, Dichter und Filmemacher und Mentor seiner Filmstudenten in Köln
Mit ihm gemeinsam, er hatte Material über BETTE DAVIS gesammelt, entstand ab 2005 eine künstlerische Symbiose. Wir entwickelten gemeinsam das Stück „Solo für BETTE“, eine Hommage für Bette Davis, die wir 2007 im Juni am St. Pauli Theater in Hamburg zur Uraufführung brachten!!!
Durch ihn hatte ich mich wieder soweit finden können, dass all meine Trauer, Aufgerissenheit und auch Kraft und WUT, die ich in mir hatte, in diesen One-Woman- Abend einfließen konnte!!!
Getragen mit und durch Horst’s Filmstudenten, auch von JULIA BOSSERT, mit der ich noch drei Filmprojekte umsetzen konnte. Sie war mein Dialog-Coach bei BETTE DAVIS! Horst lebt seit 2013 nicht mehr. Auch wieder ein unsäglicher Verlust. Aber mit BETTE konnte ich nochmals zeigen, WARUM ich THEATER liebe und ich auch zum THEATER wollte.
Mit dieser Eigenproduktion von mir finanziert, konnte ich alles ausschöpfen, was mit meiner Lebenserfahrung im Gleichklang, auch nur mit dem Selbst erlebten umzusetzen möglich war. Nach Gastspielen des Stückes in Wien und Berlin und der Organisation von dieser Produktion, musste ich einfach ein BREAK machen.
Nun ruht BETTE, wie auch HORST. Vielleicht nehme ich diese Produktion nochmals auf! Denn Horst schenkte mir alle Rechte daran. Und die herrlichen Kostümteile und sogar die DEKO sind bei mir gut aufbewahrt!
Geschützt, so wie ich mich fühlen muss um überhaupt noch arbeiten zu wollen, oder zu können, auch vor allem an Inhalt/ Buch / Kollegen / Regie zu glauben. Und nur so kann und will ich noch –wenn überhaupt – meinen Beruf ausüben!!!
Ingo Löchel: 2014 drehten Sie mit "Monsoon Baby" ihren bisher letzten Fernsehfilm.
Loni von Friedl: Auch die Begegnung mit Andreas Kleinert’s Regiearbeit für „MonsoonBaby“, gehört zu einem Highlight, auch wenn dann durch Redaktionswünsche ein großer Teil des Films der Schere zum Opfer fiel. Und somit auch meine Figur.
Aber die Begegnung war es wert. Und so sollte es doch sein…mit Beruf…mit Leben…mit MENSCHEN…den Freunden die man hat…nicht die QUANTITÄT…die QUALITÄT…macht es doch überhaupt nur WERTVOLL und WESENTLICH…
Das war so und wird für mich auch immer so bleiben. Ein oft sehr beschwerlicher Weg…auch steiniger…besonders jetzt im Alleingang. Und doch ist meine Erinnerung überwiegend getragen von den Schönen, GUTEN BEGEGNUNGEN im BERUF, wie in allen privaten Phasen meines Lebens…das Hässliche längst im Orkus…wo es hingehörte!!!
Ingo Löchel: Sehr geehrte Frau von Friedl. Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
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