Samstag, 30. Juli 2022

Westernfilm: Feinde - Hostiles (2017)

New Mexico, 1892: Der verdiente Offizier Joseph Blocker (Christian Bale) erhält den Auftrag, den kranken Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi), der die vergangenen sieben Jahre im Gefängnis verbrachte, in dessen Stammesland nach Montana zu begleiten.

Der letzte Wunsch des als unerbittlich bekannten Indianers ist es, zu Hause zu sterben. Blocker und Yellow Hawk haben eine gemeinsame Vergangenheit, weswegen Blocker den Auftrag nur äußerst widerwillig annimmt.

Gemeinsam mit einigen Soldaten und der Familie des Häuptlings bricht die Truppe auf. Unterwegs stoßen sie auf die junge Witwe Rosalie Quaid (Rosamund Pike), deren gesamte Familie kaltblütig von Komantschen umgebracht wurde.

Die traumatisierte Frau schließt sich ihnen an und die Gruppe setzt ihren gefährlichen Weg quer durch das unwegsame Land und eine extrem feindselige Umgebung fort. Schon bald wird klar, dass sie nur als Gemeinschaft im Kampf ums Überleben eine Chance haben…

Der Regisseur SCOTT COOPER hatte eine frühe Fassung des Drehbuchs von „FEINDE“ aus der Feder des verstorbenen Autors Donald Stewart („JAGD AUF ROTER OKTOBER, 1990; DIE STUNDE DER PATRIOTEN,  1992; DAS KARTELL, 1994) erhalten und fühlte sich sofort von der Tiefe der Geschichte angesprochen.

„Ich wollte schon immer einen Western machen. Doch ich wollte ihn nach meiner Vorstellung realisieren und der Film sollte relevant sein in Hinblick auf die aktuellen Vorkommnisse in Amerika, im Zusammenhang mit ethnischen Gruppen und Kulturen. Wir alle wissen, welchen Misshandlungen die amerikanischen Ureinwohner ausgesetzt waren, und genau das kann man derzeit auch gegenüber Schwarzen in Amerika beobachten. Man beobachtet es auch gegenüber der LGBTQ-Gemeinschaft. Hier werden universelle Themen angesprochen.“ (1)

Cooper schrieb das Drehbuch für CHRISTIAN BALE, mit dem er gut befreundet ist und der bereits in seinem Film „AUGE UM AUGE“ ( 2013) die Hauptrolle spielte. Als Bale das Drehbuch las, war er vom humanistischen Geist der Geschichte sehr angetan. Einige Details hinterließen sogar besonders tiefen Eindruck.

„Es könnte zu jeder Zeit in der amerikanischen Geschichte passiert sein. Für mich war Fort Berringer wie Abu Ghraib. Die Bedingungen für die Inhaftierten waren unmenschlich und die Gefängniswärter waren für ihre Tätigkeit nicht ausgebildet. Sie waren auf Kampfeinsätze gedrillt.“ (2)

Cooper nutzte Stewarts Originalentwurf als Vorlage und arbeitete monatelang intensiv daran, diese Story so zu formen, dass sie ein zeitloses Ethos widerspiegelt. Akribisch vermied er die Fallen eines historischen Kostümfilms, indem er die bekannten Klischees eines traditionellen Westerns umging.

Um die Wahrhaftigkeit und Tiefe in der Darstellung der Ureinwohner-Charaktere sicherzustellen, arbeitete Cooper mit dem gefeierten Filmemacher Chris Eyre („SMOKE SIGNAL“S, 1998; „SKINS“, 2002) sowie mit Dr. Joely Proudfit der Organisation „The Native Networkers“ zusammen,die  Kreativen aus Film und Fernsehen hilft, die für die genaue Darstellung von Ureinwohnern und indigenen Völkern notwendigen Quellen zu finden.

Viele Dialoge in „FEINDE – HOSTILES“ werden im nur selten gehörten nördlichen Cheyenne-Dialekt gesprochen. Eyre hatte die Aufgabe, Experten zu finden, die diese Sprache nicht nur fließend beherrschen, sondern sie darüber hinaus auch unterrichten können und wissen, wie die jeweiligen Muttersprachler Ende des 19. Jahrhunderts geklungen haben könnten.

Der Regisseur Cooper achtete auch besonders auf seine Darstellung der abtrünnigen Komantschen-Krieger, die Rosalie Quaids Familie abschlachten und Blockers Gruppe verfolgen. Er kramte dafür einige historische Beschreibungen hervor, um uns ein besseres Verständnis der Gewalttaten dieser Gruppe zu vermitteln. Der Film spielt ja im Jahr 1892, doch bereits um 1872 waren sämtliche Komantschen vom U.S.-Militär unter Zwang umgesiedelt und namentlich registriert worden.

Die in „FEINDE – HOSTILES“ gezeigten Krieger waren eine von etlichen kleinen Banden, die es schafften, über zwei weitere Jahrzehnte frei zu bleiben. Bis in die 1890er Jahre hinein übten sie Rache und Vergeltung in den Ebenen des Südwestens bevor sie schließlich verschwanden.

Als Drehorte wählten die Filmemacher New Mexico und Colorado, weil dort die raue Schönheit der Landschaft und visuelle Vielfalt am besten zur Geltung kommt. Diese Gegend stellt eine Welt im Wandel dar, zwischen Moderne und dem Wilden Westen. Es gibt noch immer unberührte Wildheit, die jedoch kurz davor steht, für immer verloren zu gehen. Scott Cooper war es wichtig, beide Seiten dieser Dynamik zu erforschen und zu ergründen und wie sie sich in der emotionalen Entwicklung seiner Charaktere bemerkbar macht.

Deshalb stellte er ein Team zusammen, das auf der selben Wellenlänge war, darunter den Kameramann Masanobu Takayanagi, den Oscar-preisgekrönten Produktionsdesigner Donald Graham Burt und die Kostümdesignerin Jenny Eagan.

Donald Graham Burts detaillierte Recherchen werden nirgends deutlicher sichtbar als in seiner differenzierten Gestaltung der Militär-Forts, die Blocker auf seinem Weg von New Mexico nach Montana aufsucht. Jeder Zwischenstopp ist ein weiterer Schritt in Richtung Jahrhundertwende.

Fort Berringer, exemplarisch für die zurückweichende Grenzlinie, ist heruntergekommen und aus 70.000 gealterten Adobe-Lehmziegeln erbaut; Fort Winslow wiederum ist beinahe schon eine kleine Vorstadt mit Geschäften und großzügigem Kommandanten-Quartier samt Wohnzimmer und Esszimmer.

Burt charakterisiert die einzelnen Personen auch durch die Gestaltung der einzelnen Sets. So ist Blockers Unterkunft in Fort Berringer zum Beispiel düster, schlicht und schmucklos - eine deutliche Spiegelung der geistigen Verfassung Blockers zu Beginn des Films. Das Haus der Quaids wiederum ist in seinem Inneren warm und fröhlich, aber umgeben von desolater Landschaft, als Omen der bevorstehenden Ereignisse und als deutliche Botschaft, dass diese Menschen in der Prärie nicht willkommen sind.

Kostümdesignerin Jenny Eagan unterstreicht die Erschaffung dieser Ära durch die von ihr gewählte und entworfene Garderobe, welche ebenfalls Einblicke in das Seelenleben der Figuren liefert.

Sämtliche Charaktere sind auf die eine oder andere Weise ihrer Identität beraubt worden. Die Männer der Kavallerie sind durch Vorschriften, Status und Einkommen eingeschränkt. Rosalie Quaid ist von ihren Rettern abhängig. Um dies zu veranschaulichen, musste Eagan in jedes Outfit bestimmte Schlüsselhinweise einbauen, die offenbaren, wer der Träger dieser Kleidung wirklich ist. Auch die Uniform der Kavallerie stellte eine echte Herausforderung dar.

„Interessant an den Uniformen ist, dass man zwar viele aus der Zeit des Bürgerkrieges finden kann, aber noch niemand die Geschichte dieser Zeit wirklich erzählt hat. Dabei gab es sicher für diese Uniformen eine genaue militärische Kleiderordnung. Wir mussten sämtliche Teile neu herstellen und dann sichergehen, dass sie der Vorgeschichte der jeweiligen Figur und der Entwicklung im Laufe der Story entsprechen.“ (3)

Am faszinierendsten und schwierigsten ist sicherlich die Cheyenne-Garderobe dieser Ära, vor allem, weil sie nicht mehr ganz traditionell, aber eben auch nicht vollständig verwestlicht war. Und obwohl es historisch durchaus akkurat ist, zu zeigen, dass sich die Kulturen aufeinander zu bewegen, ist es ebenso eine Tatsache, dass das Militär die Lebensweise der Cheyenne unterdrückte.

Scott Cooper und Christian Bale arbeiteten eng zusammen, um Captain Joseph Blocker zu erschaffen. Bale entwickelt für Blocker eine facettenreiche emotionale Ausdruckskraft. Dieser Mann ist zutiefst traumatisiert von Jahrzehnten im Krieg und wird nun davon überrollt und verbogen. Das Ergebnis ist die innere Zerrissenheit dieses Mannes, der spürbar von einem düstereren seelischen Schmerz gepeinigt wird, wie etwa bei einer post-traumatischen Stresserkrankung.

Blocker erkennt, dass er nichts als ein Bauer in einem perfiden Schachspiel ist und er ist des Spielens müde. Als er beauftragt wird, Yellow Hawk zu eskortieren, ausgerechnet den Mann, der viele seiner Kameraden getötet hat, weigert er sich, wird jedoch umgehend gefügig gemacht, indem man ihm mit Militärgericht und dem Verlust seiner Pension droht, sollte er den Gehorsam verweigern. Auf diese Weise dankt man es ihm, sein Leben lang Menschen im Dienste der Nation getötet und abgeschlachtet zu haben.

Die Reise erweist sich als zunehmend schwierig und Blocker entdeckt, dass die Cheyenne seinen eigenen Kameraden immer ähnlicher werden. Ganz gleich, ob sie sich mögen oder nicht – sie müssen einander vertrauen, wenn sie überleben wollen. Diese Feststellung ist der Katalysator für seine Bewusstseinsveränderung.

Scott Cooper schrieb die Rolle von Yellow Hawk dem Darsteller WES STUDI auf den Leib.

„Wes ist einer unserer ganz großen Schauspieler und wenn wir ihn nicht hätten haben können, weiß ich nicht, ob ich den Film gemacht hätte. Er war absolut ausschlaggebend für diese Geschichte. Ich finde ihn in dieser Rolle herausragend. Er strahlt genau die Kraft und das Pathos aus, die Yellow Hawk ausmachen.“ (4)

Yellow Hawks Werdegang ist überaus tragisch. Als der Zuschauer ihm im Film begegnet, wurde sein Stamm bereits abgeschlachtet oder in alle Winde verstreut und seit sieben Jahren fristet er mit seiner Frau, seinem Sohn, seiner Schwiegertochter und seinem Enkel ein elendes Dasein in Fort Berringer, angekettet in einer Zelle. Seine Freilassung ist kein freudiges Ereignis.

Er ist an Krebs erkrankt und wird bald sterben. Die Reise in die Heimat ist gefährlich. Sollten sie es bis zur traditionellen Grabstätte der Cheyenne in Montana schaffen, wird es weitere Verluste geben. Blockers Order lautet nämlich, die überlebenden Familienmitglieder ins Reservat zu bringen, statt sie in die Freiheit zu entlassen.

Die Filmemacher suchten nach einer Schauspielerin, die das nuancenreiche Porträt der Rosalie Quaid meistern konnte. Sie fanden ihre Pionierfrau schließlich in der gefeierten britischen Schauspielerin ROSAMUND PIKE

Der Film beginnt auf dem Anwesen der Quaids, wo Rosalie und ihre Familie glücklich und in Sicherheit zu sein scheinen. Das Idyll wird jäh von einem Kriegertrupp der Komantschen zerstört, und die Frau, die die Zähmung des Wilden Westens verkörpert, wird zur einzigen Überlebenden des Massakers.

Als sie von der Kavallerie und den Cheyenne gefunden wird, ist Rosalie beinahe katatonisch, ihre Kleidung ist zerfetzt, und sie kann sich nicht von dem toten Kind in ihren Armen trennen. Es ist schließlich der Hilfe einzelner Mitglieder des Trupps zu verdanken, dass sie sich dazu durchringt, mit ihnen zu gehen. Und so wird Rosalie langsam zum Dreh- und Angelpunkt in der sich entwickelnden Beziehung zwischen Yellow Hawk, seiner Familie, Blocker und seinen Männern.

„Ich habe FEINDE - HOSTILES nicht als Historienfilm gesehen. Für mich ist es ein wirklich existentieller Film. Die Story ist recht einfach, doch es steckt so viel mehr darin. Und die humanistischen Aspekte des Films sind wirklich allumfassend. Zwischen den Charakteren spielt sich so unglaublich viel ab. Sie haben alle so viel Schreckliches gesehen und erlebt, und das hat sie auf unterschiedliche Weise geprägt.“ (5)

© by Ingo Löchel

  • (1)    Regisseur Scott Cooper
  • (2)    Christian Bale
  • (3)    Kostümdesignerin Jenny Eagan
  • (4)    Regisseur Scott Cooper
  • (5)    Rosamund Pike


Feinde - Hostiles
(Originaltitel: Hostiles)
USA 2017

Stab

  • Regie: Scott Cooper
  • Drehbuch: Scott Cooper und Donald Stewart
  • Kamera: Masanobu Takayanagi
  • Schnitt: Tom Cross
  • Musik: Max Richter

Darsteller

  • Christian Bale als Captain Joseph Joe J. Blocker
  • Rosamund Pike als Rosalee Quaid
  • Wes Studi als Chief Yellow Hawk
  • Jesse Plemons als Lieutenant Rudy Kidder
  • Adam Beach als Black Hawk
  • Rory Cochrane als Master Sergeant Thomas Tommy Metz
  • Peter Mullan als Lieutenant Colonel Ross McCowan
  • Scott Wilson als Cyrus Lounde
  • Paul Anderson als Corporal Tommy Thomas
  • Timothée Chalamet als Private Philippe DeJardin
  • Ben Foster als Sergeant Charles Wills
  • Jonathan Majors als Corporal Henry Woodson
  • John Benjamin Hickey als Captain Royce Tolan
  • Q’orianka Kilcher als Elk Woman
  • Tanaya Beatty als Living Woman
  • Xavier Horsechief als Little Bear
  • Bill Camp als Jeremiah Wilks
  • Scott Shepherd als Wesley Quaid
  • Ryan Bingham als Sergeant Malloy
  • Robyn Malcolm als Minnie McGowan
  • Stephen Lang als Colonel Abraham Biggs

FSK: Ab 16 Jahren
Laufzeit: 134 Minuten

Deutscher Kinostart: 31. Mai 2018

 

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