Mittwoch, 3. August 2022

Westernfilm: The Hateful 8 (2015)

Wyoming, einige Jahre nach dem amerikanischen Bürgerkrieg: Eine Kutsche bahnt sich mühsam ihren Weg durch den Schnee in Richtung der Stadt Red Rock.

An Bord befinden sich der Kopfgeldjäger John „The Hangman“ Ruth (Kurt Russell), dessen Gefangene Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) sowie der Anhalter Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson), der früher Soldat war und nun ebenfalls als Kopfgeldjäger sein Geld verdient, und Chris Mannix (Walton Goggins), ein Deserteur aus den Südstaaten, der behauptet, der neue Sheriff der Stadt zu sein.

Ein Schneesturm zwingt die Gruppe zu einem Zwischenstopp in Minnies Kleinwarenladen. 

Sie treffen dort zwar nicht auf Minnie aber dafür auf den mysteriösen Mexikaner Bon (Demian Bichir), auf den verschwiegenen Cowboy Joe Gage (Michael Madsen), auf den Konföderierten-General Sandford Smithers (Bruce Dern) sowie auf Oswaldo Mobray (Tim Roth).

Während der Sturm draußen immer heftiger tobt, begreifen die acht Fremden, dass ihr Zusammentreffen vielleicht gar nicht so zufällig ist und sie Red Rock möglicherweise nie erreichen werden…

Am 19. April 2014 erlebte Quentin Tarantinos „THE HATEFUL 8“ eine Premiere der besonderen Art. Im komplett ausverkauften Ace Hotel Theatre, einem ehemaligen Kinopalast in Downtown Los Angeles, wurde eine Lesung des Drehbuchs veranstaltet – vor nicht weniger als 1.600 Fans, die es gar nicht erwarten konnten, das vieldiskutierte und eigentlich längst abgeschriebene Projekt des Meisterregisseurs in dieser ungewöhnlichen Form mitzuerleben.

Schließlich hatte Tarantino „THE HATEFUL 8“ gut ein Jahr zuvor an den Nagel gehängt, nachdem das Drehbuch unautorisiert an die Öffentlichkeit gelangt war. Womöglich also die einzige Gelegenheit, das Projekt live zu erleben – und wenn schon nicht auf der großen Leinwand, dann wenigstens auf der Theaterbühne. Die Erlöse des Abends kamen übrigens Film Independent zugute, einer gemeinnützigen Organisation, die unabhängige Filmemacher unterstützt.

Tarantino ließ es sich nicht nehmen, die beschreibenden Teile seines Skripts selbst vorzutragen. Dabei befand er sich in bester Gesellschaft: Der größte Teil des späteren Filmensembles saß mit ihm auf der Bühne, darunter Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Walton Goggins, Tim Roth, Michael Madsen, Bruce Dern, James Parks, Dana Gourrier und Zoë Bell.

Tarantino hatte die Lesung bis dahin als einmaliges Event betrachtet, die überwältigenden Reaktionen aber brachten ihn dazu, über eine Wiederbelebung von „THE HATEFUL 8“ nachzudenken.

Acht Monate später begannen in Telluride, Colorado, die Dreharbeiten zu „THE HATEFUL 8“. Schon bei der Lesung in L.A. hatte Tarantino mehrfach erklärt, dass er den Film „im glorreichen 70mm-Format“ drehen würde. Er ging dann noch einen Schritt weiter und entschied sich für das fast vergessene „Ultra Panavision 70“, das zuletzt im Jahre 1966 bei „KHARTOUM –AUFSTAND AM NIL“  zum Einsatz gekommen war. Für dieses Format werden anamorphotische Linsen verwendet (im Gegensatz zu den herkömmlichen sphärischen Linsen), die ein atemberaubendes Breitwandformat von 1:2,76 erzeugen.

„Mit 70mm fängt man öde Westernlandschaften, Schneewüsten, aber auch attraktivere Schauplätze perfekt ein. Ich bin fest überzeugt, dass das Breitwandformat für größere Intimität sorgt. Du bist näher an den Figuren dran. Ich glaube nicht, dass dieses Format sich nur für Reiseberichte eignet.“ (1)

Dass Tarantino und sein Kameramann Robert Richardson ihr Vorhaben überhaupt in die Tat umsetzen konnten, verdanken sie zu großen Teilen den Panavision-Mitarbeitern Bob Harvey, Jim Raudebush und Dan Sasaki. Sie gruben tief in den Archiven der legendären Filmfirma und förderten fünfzehn alte Objektive zutage, von denen einige schon beim berühmten Wagenrennen aus „BEN HUR“ zum Einsatz kamen.

Die Objektive wurden überholt und so angepasst, dass sie auch vor moderne Kameras geschraubt werden konnten. Danach testeten Richardson, Sasaki und Kameraassistent Gregor Tavenner sie auf ihre Empfindlichkeit gegen Kälte und Feuchtigkeit. Schließlich stand ihnen ein Dreh unter extremen Wetterbedingungen bevor.

„Es war erstaunlich. Die meisten dieser Linsen funktionierten auf Anhieb einwandfrei. Als hätte man einen sehr teuren Wein aus den fünfziger Jahren entkorkt. Es war großartig, in einem Format zu filmen, das der Landschaft wirklich gerecht wurde. Endlich hatten wir ein Kamerasystem, mit dem sich auch die winzigen Details in ihrer ganzen Pracht einfangen ließen. Es gibt viel mehr Informationen in den Bildern. Sie sind wunderschön und bringen etwas von der Ehrfurcht zurück, die wir als Kinder empfanden, wenn wir Breitwandbilder im Kino sahen.“ (2)

Panavision stellte den Filmemachern außerdem 600 Meter lange Filmrollen zur Verfügung. Diese waren lang genug, um komplette Szenen an einem Stück aufzunehmen.

Als Cineast und Liebhaber der Filmhistorie sorgte Tarantino dafür, dass „THE HATEFUL 8“ zum US-Start am 25. Dezember 2015 ausschließlich in Kinos mit einer 70mm-Projektionsanlage lief. Eine aufwändige zweiwöchige Roadshow in hundert verschiedenen Kinos sollte eine fast vergessene Tradition aufleben lassen.

„Es waren die Roadshows, die Filme, zumeist Musicals oder historische Epen, schon vor ihrem Kinostart zu etwas Besonderem machten. Da lief nicht bloß irgendwas in deinem Kino – das waren große Shows mit Vorprogramm, etwa einer Ouvertüre des Soundtracks im Stil einer Broadway-Show. Wenn du schon einen Film in 70mm rausbringen wolltest, dann musstest du es so machen. 24 Bilder flackern pro Sekunde durch einen Projektor und erzeugen die Illusion einer Bewegung.“ (3)

Das einmalige Roadshow-Erlebnis wird durch eine eigens von Ennio Morricone komponierte Ouvertüre gekürt. Um den legendären Großmeister für eine erneute Zusammenarbeit zu gewinnen (zuletzt steuerte Morricone sein Können zu „DJANGO UNCHAINED“ bei), reiste Tarantino höchstpersönlich nach abgeschlossener Postproduktion nach Rom. Morricone, der sich umgehend vom Drehbuch inspiriert fühlte, sagte allerdings zunächst ab, da er bereits an anderen Projekten arbeitete. Enttäuscht, aber verständnisvoll setzte Tarantino sein Treffen mit ihm fort, obgleich die Konversation in Small Talk endete. 

Am nächsten Tag überraschte der unermüdliche Komponist Tarantino jedoch, indem er ihm mitteilte, dass er ein weiteres Stück für ihn geschrieben habe. Nach und nach kreierte Morricone so die eindringlich packende Filmmusik zu „THE HATEFUL 8“. 

Wegen ihrer grandiosen, unverfälschten Landschaften wurde die Gegend rund um Telluride in den Colorado Rockies als Heimat von Minnies Miederwarenladen auserkoren. Der Laden selbst wurde auf dem Gelände einer Ranch in Wilson Mesa errichtet. Die Dreharbeiten zu „THE HATEFUL 8“ begannen am 7. Januar 2015.

Während sämtliche Schauspieler mehr als bereit waren, Tarantino bei der Verwirklichung seiner Vision zu unterstützen, erwies sich der Winter als eher widerspenstig. Anstatt Schneestürme zu produzieren, zeigte er sich von ungewöhnlich milder Seite.

Die Produzenten hatten ursprünglich geplant, bei gutem Wetter die Szenen im Minnies Miederwarenladen und bei Schneefall die Außenaufnahmen zu drehen, aber der Schnee ließ auf sich warten. So war das Ensemble für den Fall, dass sich das Wetter ändern würde, fortwährend auf Abruf.

Am Ende nahm das Filmteam sogar an einem sogenannten „Ski Burn“ teil, einem Feuerritual, mit dem in der Region traditionell der Wettergott beschworen wird, den für den Wintersport dringend benötigten Schnee zu schicken. Und siehe da: Wenig später zog ein Schneesturm auf und brachte die heiß ersehnten Niederschläge.

Nachdem in Telluride die letzte Klappe gefallen war, wurden die Dreharbeiten in den Red Studios in Los Angeles fortgesetzt. Die Studios wurden mit Hilfe spezieller Vorrichtungen runtergekühlt. 

Für seine Filmmusik für den Western „THE HATEFUL 8“ wurde ENNIO MORRICONE 2016 mit dem OSCAR in der Kategorie „BESTE FILMMUSIK“ ausgezeichnet.

© by Ingo Löchel

  • (1)    Regisseur Quentin Tarantino
  • (2)    Kameraassistent Gregor Tavenner
  • (3)    Regisseur Quentin Tarantino


The Hateful 8
USA 2015

Stab

  • Regie: Quentin Tarantino
  • Drehbuch: Quentin Tarantino
  • Kamera: Robert Richardson
  • Schnitt: Fred Raskin
  • Musik : Ennio Morricone

Darsteller

  • Samuel L. Jackson als Major Marquis „Der Kopfgeldjäger“ Warren
  • Kurt Russell als John „Der Henker“ Ruth
  • Jennifer Jason Leigh als Daisy „Die Gefangene“ Domergue
  • Walton Goggins als Chris „Der Sheriff“ Mannix
  • Tim Roth als Oswaldo „Der kleine Mann“ Mobray
  • Michael Madsen als Joe „Der Cowboy“ Gage
  • Demián Bichir als Bob „Der Mexikaner“
  • Bruce Dern als General Sandy „Der General“ Smithers
  • James Parks als O. B. Jackson
  • Channing Tatum als Jordan „Jody“ Domergue
  • Dana Gourrier als Minnie Mink
  • Zoë Bell als „Sechsgespanner“-Judy
  • Lee Horsley als Ed
  • Gene Jones als Dave 'Sweet Dave'
  • Keith Jefferson als  Charly
  • Craig Stark als Chester Charles Smithers
  • Belinda Owino als  Gemma

FSK: Ab 16 Jahren
Laufzeit: 167 Minuten

Kinostart: Am 28. Januar 2016

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