Ingo Löchel: Herr Herrmann, war es von Anfang an Ihr Wunsch gewesen, Schauspieler zu werden oder hatten Sie einen anderen Beruf ins Auge gefasst?
Mathias Herrmann: Mein Onkel war Bassist am Münchner Nationaltheater, mein Großvater einer der führenden Theaterkritiker Berlins, mein Vater selbst einige Jahre als Schauspieler tätig es gab also für mich durchaus von frühester Kindheit an Berührungen mit dem Beruf.
Trotz der Vorbelastung bin ich aber letztlich auf dem ganz klassischen Weg zu meinem Berufswunsch gekommen: die Theater-AG in der Schule. Gemeinsam mit Thomas Heinze und René Pollesch, die ja heute beide ebenfalls sehr erfolgreich im Beruf arbeiten, haben wir auf dem Gymnasium Theaterstücke erarbeitet und aufgeführt.
Damals war ziemlich schnell klar, dass ich das mit großer
Lust und Freude betreibe und mich eigentlich mit kaum etwas anderem
beschäftigen möchte. Also habe ich mich an Schauspielschulen beworben und bin
in München gleich aufgenommen worden.
Ingo Löchel: Nach Ihrer Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule folgten einige Theater-Engagements. Können Sie sich noch daran erinnern, in welchem Stück Sie Ihr Debüt gaben und mit welcher Rolle?
Mathias Herrmann: Aufgrund meiner ersten Rolle am Theater bin ich von der Schule geflogen, das vergisst man nicht.
Eine meiner Lehrerinnen inszenierte Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM am Staatstheater Nürnberg. Zwei Wochen vor der Premiere erhielt ich ihren Anruf: Mein Demetrius ist erkrankt und fällt aus. Willst Du das spielen?
Ich wollte selbstverständlich! Damals waren allerdings Engagements neben der Ausbildung gar nicht gern gesehen. Die Schulleitung hat mich demzufolge vor die Wahl gestellt, entweder/oder.
Da bin ich zum Nachdenken ein paar Stunden durch den Englischen Garten spaziert, anschließend nach Hause und habe meinen Koffer gepackt. Nach dem zweiten Ausbildungsjahr stand ich also auf der Bühne. In der Kritik zur Premiere war zu lesen: Demetrius (Mathias Herrmann: blass!). Es konnte also nur noch aufwärts gehen
Meinen Abschluss auf der Otto-Falckenberg-Schule habe ich
ein Jahr später doch noch gemacht und anschließend gab es so viele Angebote,
dass ich mir mein Engagement aussuchen durfte.
Ingo Löchel: Waren Sie vorwiegend in klassischen oder in modernen Stücken zu sehen?
Mathias Herrmann: Zehn Jahre lang war ich ausschließlich fest an Theatern engagiert. Meine Anfängerjahre in Freiburg, anschließend in Dortmund, Bremen, Bonn und Mannheim und zum Schluss in Basel.
Ich habe a l l e s rauf und runter gespielt, Komödie, Drama und Musical. Allerdings muss ich gestehen, dass ich eine große Liebe zur gebundenen Sprache habe. Vor allem Kleist hat es mir angetan. Ich durfte den Ruprecht im ZERBROCHENEN KRUG spielen, den PRINZ VON HOMBURG und den Jupiter im AMPHITRYON. Alles Rollen, die einem gehörig etwas abverlangen, aber auch viel zurückgeben.
Eine andere Figur, die mich fast zwei Jahre lang umgetrieben hat, war ein Monster: Der Nazioffizier Kittel in dem Stück GHETTO, mit dem schon Ulrich Tukur seine Karriere startete.
Der Autor Joshua Sobol hat eine Trilogie über das
Warschauer Ghetto geschrieben, und ich war Kittel in allen drei Stücken, in
vier verschiedenen Inszenierungen. Im Kopfstand konnte ich diese Figur spielen,
so vertraut war sie mir. Damals habe ich für mich eine Freiheit im Spiel
entdeckt, eine Leichtigkeit, die ich auch heute nicht missen möchte.
Ingo Löchel: 1987 gaben Sie in MALWA Ihr TV-Debüt sowie in DAS MÄDCHEN MIT DEN FEUERZEUGEN Ihr Kino-Debüt. Was für Rollen spielten Sie darin?
Mathias Herrmann: Ist schon eine ganze Weile her, nicht wahr? Mein Auftritt in Ralf Huettners MÄDCHEN MIT DEN FEUERZEUGEN war sicher nicht der Rede wert, aber der Film war unglaublich erfolgreich.
MALWA war für mich von anderem Kaliber. Direkt nach der Schauspielschule für 3 Wochen in die Türkei ans Schwarze Meer. Da war ich dem BR als junger Mensch sehr dankbar. Es war eine Literaturverfilmung. Maxim Gorki, ein Klassiker der russischen Moderne, erzählt die Geschichte der schönen Malwa, die einem Vater und dessen erwachsenem Sohn den Kopf verdreht, bis sie sich um sie prügeln und entscheidet sich dann doch für einen anderen.
Meine Partner waren Birgit Doll und der viel zu früh
verstorbene Franz Böhm, den ich sehr verehrt habe, nicht nur wegen seiner
Rollen an den Kammerspielen in München. Von beiden durfte ich viel lernen.
Ingo Löchel: 1997 wurde Ihnen die Rolle des Dr. Johannes Voss in EIN FALL FÜR ZWEI angeboten. Wie erfährt ein Schauspieler, dass er für eine bestimmte Rolle vorgesehen ist? Telefonisch oder schriftlich? Wie muss sich ein Laie das vorstellen?
Mathias Herrmann: In meinem Fall hatte mich der Produzent, Georg Althammer, in sein Büro in München gebeten. Ich war in Basel engagiert und das Theater damals ein bisschen leid. Ich wollte drehen. Immer wieder waren verlockende Angebote gekommen, die ich wegen meiner Theaterverpflichtungen absagen musste.
Jetzt hatte SAT1 angefragt und Althammer meinte, bevor
ich mit denen verhandele, solle ich bei ihm vorbeischauen. Wir saßen lange in
seinem Büro und haben uns angeregt unterhalten. Schließlich ließ er die Katze
aus dem Sack und bot mir den Rechtsanwalt im FALL FÜR ZWEI an. Ich bat mir eine
Woche Bedenkzeit aus und habe dann zugesagt.
Ingo Löchel: Hatten Sie zuerst Bedenken, in die Fußstapfen von Strack und Hunold zu treten?
Mathias Herrmann: Zu keiner Zeit. Warum sollte ich mich mit meinen Vorgängern beschäftigen? Die Serie hatte ich ja eigentlich nie gesehen. Ich kam vom Theater und hatte wenig Ahnung, was das Filmgeschäft angeht. Erst viele Jahre später kam mir der Gedanke, dass ich damals doch recht blauäugig gestartet bin, aber wahrscheinlich war das gut so.
Das ZDF und die Produzenten wollten zur ursprünglich
angedachten Variante zurück: einen älteren Detektiv mit einem jungen, forschen
Anwalt zusammenbringen. Viele Ideen kursierten. Die Serie sollte, zumindest
teilweise, auf neue Füße gestellt werden. Allerdings ist ein so erfolgreiches
Format wie der FALL FÜR ZWEI vergleichbar mit einem Ozeanriesen nur mit hohem
Energieaufwand vom Kurs abzubringen. Deshalb habe ich mich hineingeschmissen
und doch ziemlich viel erreicht. Jedenfalls war der Zuschauerzuspruch enorm.
Ingo Löchel: Konnten Sie auch eigene Ideen in die Krimi-Serie mit einbauen? Hatten Sie Mitspracherecht in Bezug auf die Drehbücher der Serie?
Mathias Herrmann: Wir haben Autoren, die sich viele Gedanken über Dialoge, Dramaturgie und Figurenkonstellationen machen. Als Schauspieler sollte man mit diesem Material sorgsam umgehen und dem Respekt zollen.
Ich bin kein Freund davon, Dialoge ständig zu ändern, nur um sie sich mundgerecht zu machen. Oft verstecken sich zwischen oberflächlich sperrigen Sätzen Möglichkeiten, die ich für meine Figur nutzen kann. Aber natürlich ist so ein Drehbuch auch keine Bibel. Ein Film entsteht am Set, und wird gegebenenfalls am Schneidetisch noch mal geändert.
In unserem Fall war es so, dass Claus Theo seine Figur bereits hatte, ich meine noch finden musste. Außerdem galt es, unsere Beziehung zu definieren. Für EFFZ schreiben verschiedene Autoren, also entstand ein Wechselspiel.
Wir haben uns sehr stark eingebracht. In meinem Arbeitszimmer steht heute noch ein ganzer Ordner mit Änderungen, die ich für Szenen zwischen C. T. und mir erfunden habe. Dieses odd couple sollte witziger und spritzig auftreten. Einiges davon konnte ich durchsetzen das hat meine Folgen ausgezeichnet anderes nicht
Aber ich bin stolz, dass ich der Serie einen Stempel
aufdrücken konnte, obwohl ich von allen Anwälten die kürzeste Amtszeit innehatte.
Ingo Löchel: Gibt es ein besonderes Ereignis in Bezug auf EIN FALL FÜR ZWEI, an das Sie sich bis heute noch besonders gut bzw. gerne erinnern?
Mathias Herrmann: Die Art und Weise, wie Claus Theo auf mich zuging und mich unterstützt hat, rechne ich ihm heute noch hoch an. Ich war, wie gesagt, Anfänger, was das Filmgeschäft anging, blauäugig. C. T. hätte mich links liegen lassen und sein Ding durchziehen können.
Das Gegenteil war aber der Fall. Er wusste, dass es EIN
FALL FÜR ZWEI heißt, und dass man immer nur so gut ist wie der Partner. Das
habe ich bei dieser Arbeit wieder gelernt und meinem Freund zurückgegeben, was
ich konnte
Mathias Herrmann: Manchmal, wenn er verliebt war, hat er die Bodenhaftung auch verloren Aber pragmatisch war er und unbestechlich, hatte ein großes Herz und war treu. Er war humorvoll und mitunter unkonventionell. Er hat seiner Spürnase immer vertraut, genau wie seinem Freund Matula.
Für mich liegt diese Rolle allerdings mittlerweile mehr
als elf Jahre zurück. Wissen Sie, wie es Ihnen vor elf Jahren erging?
Eigentlich ist das alles für mich wie aus einem anderen Leben. Die Zuschauer
können sicher viel besser als ich beurteilen, was für ein Kerl das ist. Mit
großer Freude habe ich für sie gespielt.
Ingo Löchel: Warum stiegen Sie 2001 aus der Krimi-Serie aus?
Mathias Herrmann: Ich war abenteuerlustig, hungrig und zu jung, um mich an diese Rolle zu binden. Für mich lebt der Beruf von der Abwechslung.
Nach zwei Jahren EFFZ bin ich zu Georg Althammer gegangen
und habe gesagt: Vielen Dank für diese wunderbare Zeit, in der ich so viel
lernen durfte. Aber ich brauche die Veränderung zum Leben und Arbeiten. Sucht
Euch bitte einen Nachfolger, ein Jahr noch spiele ich Johannes Voss mit Spaß,
danach ist Schluss. Die Aufregung war natürlich groß, aber das Zeitfenster
ausreichend und der Nachfolger wurde gefunden.
Ingo Löchel: War es Ihre Idee, Dr. Voss in der Folge Morgen bist du tot sterben zu lassen?
Mathias Herrmann: Das war in der Tat mein Wunsch, getreu dem Motto: They never come back! Die Produktion und der Sender haben mir das erfüllt.
Für mich konnte es gar nicht anders sein. Wir befinden
uns in einem Krimi, da muss es dramatisch zugehen, die Hauptfigur kann sich
doch nicht einfach in den Urlaub verabschieden.
Ingo Löchel: Herr Herrmann, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
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