Dort sollen sie klären,
wie es einer brillanten mehrfachen Mörderin gelingen konnte, aus einem
abgeschlossenen Zimmer des eigentlich absolut fluchtsicheren Ashecliffe
Hospital zu entkommen und spurlos zu verschwinden.
Auf der abgelegenen,
vom Wind gepeitschten Insel, umgeben von
untersuchenden Psychiatern und gefährlichen psychopathischen Patienten,
erwartet die Marshals eine unheimliche, explosive Atmosphäre. Eine Atmosphäre,
die andeutet, dass hier nichts so ist wie es scheint.
Während ein Hurrikan aufzieht, kommen die Ermittlungen schnell voran. Doch als der Sturm immer intensiver wird, immer neue Verdächtigungen und Rätsel aufkommen, steigen mit jeder weiteren Enthüllung auch Spannung und Schrecken an.
Hinweise und Gerüchte
tauchen auf von dunklen Verschwörungen, von hässlichen medizinischen
Experimenten, repressiver Bewusstseinskontrolle, geheimen Klinikstationen,
vielleicht sogar von Spuren übernatürlicher Vorgänge, doch Beweise dafür gibt
es nicht.
In den düsteren
Schattenzonen einer Klinik, die wie ein Spuk nicht nur von den schrecklichen
Taten ihrer gerissenen Patienten, sondern auch den undurchschaubaren Absichten
ihrer nicht minder raffinierten Ärzte heimgesucht wird, spürt Teddy, dass er
gezwungen sein wird, sich seinen tiefsten und schrecklichsten Ängsten zu
stellen, je weiter er mit seinen Ermittlungen vordringt.
Und es wird ihm bewusst, dass er die Insel vielleicht nicht mehr lebend verlassen wird…
Kurz
nach Fertigstellung seines Romans „MYSTIC RIVER“ schlug Dennis Lehane einen
völlig anderen erzählerischen Kurs ein. Er ließ die düster-realistischen
Arbeiterschauplätze in Boston, für die er bekannt war, hinter sich und
entwickelte einen außerordentlich atmosphärischen, von purem Terror erfüllten
psychologischen Schocker.
Das
Ergebnis war „SHUTTER ISLAND“, ein Roman, der die mysteriösen Elemente des
Schauerromans mit Facetten von Verschwörungsthrillern und Horror vermischte,
der im Stil von Edgar Allan Poe die Spannungsschraube immer stärker anzog.
Die
Handlung des Buchs war auf vier quälend intensive Tage komprimiert. Schauplatz
war das auf einer Insel gelegene Ashecliffe Hospital für psychisch gestörte
Straftäter, das von einem tobenden Hurrikan der Stärke 5 heimgesucht wurde.
Die
polizeiliche Ermittlung, um die sich das Buch drehte, war höchst ungewöhnlich.
Denn sie fand völlig abgeschottet von der Außenwelt statt und führte dazu, dass
es für die zwei einsamen Ermittler immer enger wurde, bis sich U.S. Marshal
Teddy Daniels schließlich gezwungen sah, in einen Bereich vorzudringen, in dem
der menschliche Verstand auf gefährliche Weise Amok lief, in dem es
entsetzliche Geheimnisse und schreckliche Erinnerungen gab und die Wahrheit
tief vergraben war.
Doch
im Kern seines Labyrinths aus unheimlichen und überraschenden Wendungen sprach
das Buch eine Vielzahl von Themen an, darunter das anhaltende Trauma des
Zweiten Weltkriegs, das Potenzial des 20. Jahrhunderts für große
Verschwörungstheorien, die Debatte über invasive psychiatrische
Behandlungsmethoden, vor allem aber die außergewöhnliche Macht der Psyche, die
sich trotz vieler wissenschaftlicher und juristischer Bemühungen letztlich doch
jeder Kontrolle entzog.
Laeta
Kalogridis, die mit Chris Brigham, Dennis Lehane, Gianni Nunnari und Louis
Phillips auch zu den ausführenden Produzenten von „SHUTTER ISLAND“ gehört, war
von der Herausforderung begeistert, mit der üppig verwobenen Erzählstruktur von
Lehanes Story arbeiten zu können. Einer Story, die sich durch Rückblicke,
Halluzinationen und
Fantasievorstellungen windet, die mit zeitlicher Chronologie genauso spielt wie
mit der trügerischen Natur augenblicklicher Realität.
Von
Beginn an dachte Fischer an Oscar-Preisträger Martin Scorsese. Auf gut Glück
kontaktierten die Verantwortlichen von Phoenix Pictures den erfolgreichen, fast
ständig mit neuen Projekten beschäftigten Regisseur, gingen davon aus, dass
wenig Aussicht auf Erfolg bestand.
Doch
ihr Timing hätte nicht besser sein können. Scorsese hatte nicht nur Zeit,
sondern interessierte sich auch leidenschaftlich für den Stil und die Themen
von „SHUTTER ISLAND“.
„Marty war von der Vorstellung angezogen, eine klassische, in Schatten und Geheimnisse eingehüllte Horror- und Schauergeschichte in Angriff nehmen zu können. Er sprang sofort auf diese Idee an, war von Beginn an mit großer Begeisterung bei der Sache. Als ich von Martys Agenten die telefonische Zusage bekam, dass er bei SHUTTER ISLAND die Regie übernehmen wollte, erzählte er mir, dass Marty sich dabei an diesen alten deutschen Film erinnert fühlt, am ‚DAS CABINET DES DR. CALIGARI’ aus dem Jahre1920.
Ich war überwältigt, dass das Drehbuch bei Marty die gleichen Assoziationen an einen alten Horrorfilm aus der Weimarer Republik geweckt hatte wie bei mir. Doch überrascht war ich davon eigentlich nicht. Für mich gab es immer Ähnlichkeiten zwischen DAS CABINET DES DR. CALIGARI und SHUTTER ISLAND.
Marty bewundert diesen Film, auf den er, wie auf viele andere Filme auch, bei den Dreharbeiten verweisen würde. Von diesem Moment an ging alles sehr schnell. Was Marty in der Geschichte sah, welche verschiedenen Ebenen er in diesem Stoff entdeckte – all das bereicherte das Projekt auf eine Art, wie das keiner von uns voraussehen hätte können.“ (1)
Scorseses Strategie für den Film war, die Noir-ähnlichen Oberflächenstrukturen von Kalogridis’ Drehbuch zu benutzen, um die tiefergehende Mikrodynamik und die psychologischen Machenschaften der Charaktere herauszuarbeiten.
Er wollte üppige filmische Bilder mit verborgenen
Emotionen verschmelzen, um den Zuschauer zusammen mit Teddy Daniels auf einen
aufregend schmalen Grat zu locken. Von Produktionsbeginn an inspirierte
Scorsese seine Darsteller und seine Crew mit nächtlichen Vorführungen von
legendären und unbekannten Filmen, die
die Themen und Stile berühren, die sich durch „SHUTTER ISLAND“ ziehen.
Zu
den ausgewählten Filmen Scorseses zählten unter anderem Otto Premingers „LAURA“
(1944), Jacques Tourneurs düsteres Noir-Doppelspiel „GOLDENES GIFT“ (1947),
Edward Dmytryks „IM KREUZFEUER“ (1947), ein Thriller über den Mord an einem
jüdischen Soldaten nach dem Ende des 2.Weltkriegs, außerdem Nicholas Rays Polizeidrama
„ON DANGEROUS GROUND“ (1952) und Karl Maldens Regiedebüt „WENN MÄNNER
ZERBRECHEN" (1957), ein psychologisch intensives Gerichtsdrama über einen
amerikanischen Soldaten, der sich vor dem Kriegsgericht verantworten muss.
Zu
den ausgewählten Werken zählte auch ein Dokumentarfilm, den Scorsese für
unerlässlich hielt. Frederick Wisemans „TTICUT FOLLIES“(1967), ein Film über
die Behandlung von Patienten in einer psychiatrischen Anstalt für psychisch
gestörte Straftäter.
Durch
diesen Film, dessen Aufführung damals gerichtlich verboten worden war,
erhielten Darsteller und Teammitglieder Einblick, wie Nervenheilanstalten in
den Fünfziger- und Sechzigerjahren wirklich ausgesehen hatten, bevor Reformen
zu einer Verbesserung der Bedingungen führten und Patientenrechte zur höchsten
Priorität machten.
Das
bei Bridgewater gelegene Massachusetts Correctional Institute for the
Criminally Insane ist Schauplatz des Films, der schonungslos eine
therapeutische Einrichtung porträtiert, in der sich Patienten splitternackt
ausziehen mussten, mit Ketten an die Wände ihrer Zellen gefesselt und jeglicher
menschlicher Würde beraubt wurden.
Die
Auswirkungen dieses Films waren gewaltig. Schon kurz nach seiner
Veröffentlichung war der Aufschrei der Öffentlichkeit so groß, dass gegen die
Anstalt eine Sammelklage vorgebracht wurde. Diese zog eine Entwicklung nach
sich, dass nun im ganzen Land ähnliche Anstalten auf Dauer anders geführt
wurden.
Im
Zentrum der Spannung und der wachsenden Furcht von SHUTTER ISLAND steht die
erschütternde Erfahrung, die Teddy Daniels macht. Der abgebrühte Kriegsveteran
und clevere U.S. Marshal soll in der Inselklinik das Verschwinden einer
Mörderin untersuchen, gleitet dabei aber immer tiefer in einen Abgrund
verwirrender Rätsel, unerbittlicher Angst und im Kopf herumspukender
Erinnerungen hinein.
Als
er bei seinen Ermittlungen auf immer neue Hindernisse stößt, hat Teddy guten
Grund zu glauben, dass er manipuliert, beobachtet, vielleicht unter Drogen
gesetzt und an die düsteren, unklaren Grenzen seines Verstands getrieben wird.
„Nachdem ich Leo bei „GANGS OF NEW YORK“ (2002), „AVIATOR“ (2004) und „DEPARTED - UNTER FEINDEN“ (2006) inszeniert hatte, kam mir sofort der Gedanke, dass er auch diese Rolle spielen sollte.
Wir haben unsere Zusammenarbeit gemeinsam entwickelt, und als Künstler besitzt er mein ganzes Vertrauen, dass er die vielen psychologischen und emotionalen Zustände, die Teddy erreichen muss, sichtbar macht und dass er sich dabei durchgehend verändert. Habe ich ihn schon einmal so etwas spielen sehen? Nicht auf diesem Level, glaube ich. Je älter er wird, desto tiefgründiger werden seine Darstellungen.“ (2)
Nach
dem Lesen des Drehbuchs war auch DiCaprio von der Rolle überzeugt.
„Vieles an dieser Figur gefiel mir. Teddy kommt nach Shutter Island, fest entschlossen, ein Rätsel zu lösen und aufzudecken, was dort wirklich vor sich geht. Aber er bringt eigene Geheimnisse und Absichten, die in seinem Innersten versteckt sind, auf die Insel mit. Zu seiner Reise gehört weit mehr, als es zunächst den Anschein hat. Einer der großartigen Aspekte dieser Geschichte ist, dass sie beständig irritiert. Sie funktioniniert auf so vielen verschiedenen Ebenen, wirkt wie eine riesige Schichttorte.
Ich habe mich in den komplexen Charakter von Teddy verliebt. In seine Suche nach Wahrheit, die etwas in ihm auslöst und auch bei mir etwas in Gang brachte. Am Ende war ich tief berührt.“ (3)
Nachdem
er die Rolle angenommen hatte, ließ sich DiCaprio von ihr inspirieren, eigene
Recherchen zu beginnen. Er vertiefte sich in das spezielle Training, das die
U.S. Marshals der fünfziger Jahre auf sich nehmen mussten, erforschte die
Erfahrungen von Veteranen des Zweiten Weltkriegs, informierte sich über
psychiatrische Techniken, die in dieser Zeit in Nervenheilanstalten zur
Anwendung kamen.
Außerdem
las er mehrmals Dennis Lehanes Roman. Schwerpunkt seiner Vorbereitung waren
aber einige lange, den Dingen auf den Grund gehende Gespräche mit Scorsese.
„Marty liebt es, alles sehr ausführlich zu diskutieren. Das hilft einem Schauspieler, seine Figur noch besser zu verstehen und glaubwürdiger auf der Leinwand zu werden. Wir haben die Szenen fast wie forensische Ermittler diskutiert, sind jedes Detail mit einem feinzahnigen Kamm durchgegangen. Das gehört zu den interessantesten, anspruchsvollsten, angsteinflößendsten und vergnüglichsten Aspekten der Zusammenarbeit mit ihm, denn wenn man auf dem Set erscheint, ist man wirklich mit vollem Engagement bei der Sache.“ (4)
Chuck
Aule, Teddys neuen Partner, verkörpert der Schauspieler MARK RUFFALO. Mit
Rollen in Filmen wie Kenneth Lonergans „YOU CAN COUNT ON ME“ (2000), Michel
Gondrys „VERGISS MEIN NICHT!“ (2004) und Michael Manns „COLLATERAL“ (2004) hat
sich Ruffalo als einer der vielseitigsten und faszinierendsten Darsteller
profilieren können. Die Zusammenarbeit mit Scorsese und DiCaprio reizte auch
Ruffalo, doch es war die unvorhersehbare Durchschlagskraft des Drehbuchs, die
ihn wirklich packte.
„Zunächst hält man das Ganze nur für eine interessante Kriminalgeschichte mit Noir-Zügen, aber im Laufe der Handlung tauchen diese überraschenden Ereignisse und Schichten auf, gibt es abrupte Wendungen wie auf einer Achterbahnfahrt, zeigt das Drehbuch so viele andere Aspekte, die man nicht erwartet hatte.
Alles wird merkwürdiger und mysteriöser, das Drehbuch wirft einen hinein in eine andere Welt. Je mehr ich davon gelesen hatte, desto mehr spürte ich, dass Chuck, der mehr verbirgt, als es anfangs den Eindruck macht, eine außergewöhnliche Herausforderung darstellen würde.“ (5)
BEN
KINGSLEY verkörpert den brillanten Dr. Cawley, der jeden Schritt von Teddy und
Chuck psychoanalytisch hinterfragt, obwohl er selbst die beiden um Hilfe
gebeten hatte, seine gefährliche vermisste Patientin aufzuspüren. Scorsese
hatte schon lange gehofft, Kingsley einmal inszenieren zu können, und war
begeistert, dass ihm die Rolle so lag.
Kingsley
fühlte sich von der Geschichte angezogen, ganz besonders von dem verborgenen
geheimen Auftrag, den seine Figur darin zu erfüllen hatte.
„Bei dieser Story verhält es sich wie bei einer archäologischen Grabung, bei der man immer wieder neue Schichten entdeckt. Das gefällt mir, wie natürlich aber auch Dr. Cawley, denn hinter dieser Figur verbirgt sich Außergewöhnliches, das schließlich in den Vordergrund tritt. Er sieht seinen Beruf aus einer interessanten Perspektive - in einer Zeit, in der es zu Konflikten kam zwischen den alten Therapiemethoden, den neuen Drogen und neuen chirurgischen Eingriffen wie etwa Lobotomien.“ (6)
Die
Schlüsselrolle von Teddys Frau Dolores übernahm MICHELLE WILLIAMS, die für „BROKEBACK
MOUNTAIN“ (2005) für einen Oscar nominiert worden war. Williams stürzte sich
ohne Zögern auf diese ungewöhnliche Figur.
„Es ist eine wirklich anspruchsvolle Rolle, und das gefällt mir immer. Als Dolores musste ich einiges ertragen. Es war wie in einem Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab. Alles verändert sich ständig, wird zunehmend düsterer, wenn man sich von der Strömung treiben lässt.“ (7)
Um
Dolores psychologisch besser verstehen zu können, studierte Williams viele
psychiatrische Abhandlungen über abnorme Störungen. Außerdem sah sie sich
Dokumentationen an und unterhielt sich mit einer Reihe von Ärzten. Was Williams
schließlich vor der Kamera durchmachte, war oft eine nasse Angelegenheit -
Resultat von Überschwemmungen, die sie im Traum überfluteten.
„Meine zwei Drehmonate verbrachte ich triefnass. Ich hatte sogar Apparaturen an mir, die Wasser durch meine Haare und meine Kleidung führten. Aber das alles gehört eben dazu, wie Marty diese Geschichte erzählt. Und daran teilhaben zu können, war sehr aufregend.“ (8)
Dolores
ist aber nicht die einzige Frau, die Teddy Daniels während seiner Reise zum
Ashecliffe Hospital wie ein Spuk nicht mehr aus dem Kopf geht. Die zweite ist
die gefährliche, psychisch gestörte Mörderin Rachel Solando, die mit ihrer
unerklärlichen Flucht Teddy Daniels überhaupt erst auf die Insel holt. Rachel
taucht in zwei Inkarnationen auf, die eine gespielt von PATRICIA CLARKSON, die
andere verkörpert von EMILY MORTIMER.
Patricia
Clarkson war fasziniert von der Rolle, die ihre Figur im erzählerischen
Gesamtkonzept der Geschichte spielt.
„Mit ihr ist eine weitere überraschende Wendung im Film verbunden, der auf verschiedenen Ebenen arbeitet. Wenn man auf meine Figur trifft, glaubt man, dass man durch sie vielleicht die Wahrheit und etwas Trost erfahren und zum Endpunkt der Reise gelangen kann. Dann aber entdeckt man, dass es noch viele überraschende Wendungen geben wird. Das eben ist das Schöne an dieser Geschichte – sowohl im Roman als auch in der Drehbuchadaption.“ (9)
Auch
Emily Mortimer fand ihre Figur unwiderstehlich.
„Rachel ist eine fantastische, einschüchternde Rolle, denn man sieht sie im Film nie bei klarem Verstand. Ich fand es auch aufregend, diese gewagte düster-schaurige Welt der fünfziger Jahre, die Marty heraufbeschworen hat, zu betreten und zu dem Stil zurückzukehren, in dem damals Filme gedreht wurden.
Was ich an diesem Film am meisten liebe, ist die von ihm aufgeworfene Frage, die wir uns alle manchmal stellen. Bin ich oder ist die Welt um mich herum verrückt? Das Gefühl dafür, was real ist und was nicht, wird erschüttert. Das hat Marty perfekt herausgearbeitet.“ (10)
Eine
weitere Nebenfigur von großer Wirkung ist George Noyce, einer der Patienten von
Shutter Island und ein mysteriöses Gesicht aus Teddys Vergangenheit. Diese
Rolle übernahm JACKIE EARLE HALEY, auch
er ein Schauspieler, an den Scorsese schon lange herantreten wollte.
Das
Ensemble von routinierten und meisterlichen Schauspielern komplettiert der legendäre
Charakterdarsteller MAX VON SYDOW. Er verkörpert Dr. Naehring, eine der stärker
verdächtigen und bedrohlicheren Figuren von Ashecliffe.
„Max von Sydow ist ein Titan des Kinos. Ich glaube, ich habe ihn in Bergmans DAS SIEBENTE SIEGEL („Det sjunde inseglet“, 1957) das erste Mal gesehen. Seine in den letzten 50 Jahren erarbeitete Bandbreite und Erfahrung, sind mittlerweile selbst ein Teil der Filmgeschichte.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie sehr er alles unter Kontrolle hat. Er besitzt die Intelligenz und das Selbstbewusstsein, um das Wesen dieses Mannes darstellen zu können, der ein Ex-Nazi ist. Er repräsentiert auch die andere Seite des Psychiaterberufs. Dr. Naehring istkein Bösewicht, sondern jemand, der wirklich an das glaubt, was er tut.“ (11)
Es
war eine Zeit, in der die dunklen Tage von „lagerähnlichen“ Anstalten gezählt
waren, abgelöst von einer neuen Ära mit Gehirnoperationen von großer
Durchschlagskraft und neurologischen Drogen.
Eine
Zeit, in der einige Patienten noch in einem kafkaesken System gefangen waren,
während bei anderen bereits innovative experimentelle Verfahren angewendet
wurden, aus denen viele unserer heutigen Theorien über psychisch kranke
Straftäter hervorgingen. Inmitten des verwickelten Mysteriums von „SHUTTER
ISLAND“ ermöglicht Martin Scorsese Einblicke, die in diese dunkle,
faszinierende, lange versteckt gehaltene Welt hineinführen.
Nervenheilanstalten
gibt es bereits seit dem Mittelalter, aber sogar davor zerbrachen sich Kulturen
und Gesellschaften den Kopf, wie mit denen umzugehen war, die in ihrem Kopf zu
gestört waren, um in der Welt außerhalb davon sicher leben zu können. Es wurde
sogar von einigen behauptet, dass der Begriff „Narrenschiff“ auf Schiffe
hinwies, die als Frühformen psychiatrischer Anstalten mit geistig gestörten
Menschen vor den Küsten kreuzten.
Europäische
Nervenheilanstalten des 16. und 17. Jahrhunderts waren die Vorläufer für
ähnliche Institutionen in den USA. Im Prinzip waren das Gefängnisse und keine
Orte, in denen behandelt wurde. Dreckige Löcher, in denen die Patienten in
Ketten gelegt, wie Tiere misshandelt, in völlige Unterwerfung geprügelt und
unter grausamen Bedingungen „weggesperrt“ wurden, oft bis zum Tod.
Das
berüchtigtste Beispiel dafür war vielleicht die besonders grauenvolle Anstalt
im Bethlehem Hospital von London, verkürzt bald unter dem Namen Bedlam Hospital
bekannt, aus dem wiederum das Wort bedlam (Tollhaus) entstand.
Das
Bedlam Hospital öffnete seine Türen für Besucher, die für einen Penny nun die
angeketteten Gefangenen beobachten, stoßen und zu bizarren Reaktionen treiben
konnten. Weil die Insassen von der Gesellschaft als dienstbare Instrumente des
Teufels angesehen wurden, hatte man wenig Mitgefühl für ihren schrecklichen
Zustand.
Im
Gegensatz dazu, und das ist faszinierend, gab es im mittelalterlichen Persien
bereits relativ aufgeklärt arbeitende Anstalten. Hier begann man, beruhigende
Bäder, Musiktherapie und frühe Formen von Gesprächstherapie anzuwenden, um zu
versuchen, Patienten ins Alltagsleben zurückzuführen.
1792 wagte es eine Anstalt in Paris erstmals, Patienten von ihren Ketten zu befreien und die fensterlose, einem Verlies ähnelnde Einrichtung zu einer sonnenbestrahlten Zuflucht zu verwandeln. Die Verantwortlichen wurden in ihrem Handeln bestärkt, als sich einige Patienten tatsächlich erholten, was man zuvor für unmöglich gehalten hatte.
Das
war der Beginn der langsam heraufdämmernden Ära der „Neuen Behandlungsmethoden“,
in der man sich mit größerem Nachdruck um Heilung bemühte, wenngleich manchmal
mit extremen und brutalen Methoden. Was unglücklicherweise anfangs aus dieser
Ära hervorging, war ein entsetzliches Vermächtnis experimenteller
Behandlungsmethoden.
Das
Spektrum umfasste das Herumschleudern von Patienten in speziellen Stühlen und
mit hoher Umdrehungszahl, um „ihre Nerven zu beruhigen“, aber auch
tatsächliches Foltern, um „sie wieder zu Verstand zu bringen“. Damit wurde der
üble Ruf dieser Anstalten als Orte puren Horrors, aus denen nur wenige wieder
ins normale Leben zurückkehrten, weiter besiegelt.
Im
Laufe der nächsten 150 Jahre blieben die Anstalten der westlichen Welt Orte,
die von Furcht und Ekel erfüllt waren. Die erste Einrichtung in den kurz vor
der Unabhängigkeit stehenden Vereinigten Staaten von Amerika gründete Benjamin
Rush 1769 in Williamsburg, Virginia. Sie blieb für die folgenden 50 Jahre die
einzige Einrichtung dieser Art im Land. In dieser Zeit landeten die meisten
psychisch Kranken in Armenhäusern oder Gefängnissen.
Doch
mit einem 1827 erlassenen Gesetz, dem „Act Concerning Lunatics“, wurde die
Zwangsunterbringung geistesgestörter Menschen in Gefängnissen verboten,
entstanden im ganzen Land einige Anstalten. Obwohl es einige fortschrittliche
Ausnahmen gab, vor allem die Anstalten der Quäker in Philadelphia, Boston und
New York, handelte es sich immer noch um Einrichtungen, die nach heutigem
Standard wenig einladend waren. Patienten wurden in Zwangsjacken gesteckt, um
ihnen beizubringen, wie ihre Verhaltensauffälligkeiten zu zügeln waren. Sogar
Aderlässe und Darmspülungen wurden durchgeführt – all das gehörte zu den
üblichen Behandlungsmethoden.
Damals
entstand auch eine neue Untergruppe bei psychisch Kranken. Man unterschied nun Menschen,
die von Geisteskrankheit zu schrecklichen Verbrechen getrieben wurden. 1859
wurde in New York die erste Einrichtung für solche Patienten gegründet: das
State Lunatic Asylum for Criminal Convicts.
Am
Ende des Ersten Weltkriegs, als Folge von Freuds revolutionären Theorien und
der Kriegstraumata, an denen Tausende Soldaten litten, begann man,
Verbesserungen an diesen Einrichtungen vorzunehmen. Die Behandlungsmethoden
selbst aber blieben auf schockierende Weise brutal. Dr. Henry A. Cotton
beispielsweise, Leiter des New Jersey State Lunatic Asylum, führte in den
Zwanzigerjahren erstmals eine Reihe von vermeintlich therapeutischen
Operationen durch. Er entfernte Zähne, Mandeln, Gedärme und Sexualorgane, von
denen man glaubte, hier gäbe es Entzündungen, die Geisteskrankheiten auslösten.
In
den Dreißigerjahren begann Dr. Egas Moniz, ein portugiesischer Neurologe, mit
einer neuen Behandlungsmethode zu experimentieren, die als präfontale Lobotomie
zum Begriff wurde. Hierbei handelte es sich um einen radikalen chirurgischen
Eingriff, der in dem Teil des Gehirns, in dem man das Gefühlszentrum vermutete,
Nervenfasern durchtrennte. Tatsächlich beruhigte diese Behandlung Patienten mit
schizophrenen Störungen und hartnäckigen Psychosen, doch die Persönlichkeit der
Patienten nahm dabei schweren Schaden. Für die Entdeckung dieser
Behandlungsmethode erhielt Moniz schließlich den Nobelpreis.
In
den Vierzigerjahren hatte die Lobotomie ein neues Zeitalter in der Psychiatrie
eingeleitet, in der nun größere Aufmerksamkeit auf die Physiologie des Gehirns
und Methoden, diese zu verändern, gerichtet wurde. 40.000 Amerikaner, eine erstaunlich hohe Zahl, unterzogen sich diesem
lebensverändernden Eingriff. Einige von ihnen litten an Kurzzeitdepressionen,
waren geistig zurückgeblieben oder hatten schlicht ein rebellisches Wesen.
Auch
andere extreme Behandlungsmethoden kamen in Mode. So etwa Komata, die von
Insulininjektionen ausgelöst wurden, und die Elektrokonvulsive Therapie, die
auch als Elektroschocktherapie bekannt ist. Glücklicherweise wurden bis zum
Ende des Jahrzehnts neue wirkungsvolle Neuroleptika entwickelt, darunter
Antidepressiva und Antipsychotika. Sie versprachen menschenwürdigere, trotzdem
kontroverse Behandlungsmethoden zur Kontrolle des aus der Balance geratenen
Verstands.
Nach
dem Zweiten Weltkrieg wurden erstmals spezielle Einrichtungen gegründet, um
Patienten zu behandeln, die an Kriegstraumata litten. Auch diese führten zu
komplexeren und verfeinerten Behandlungsmethoden. Währenddessen erwarben sich
osteuropäische Nervenheilanstalten in der Ära des gerade aufgezogenen Eisernen
Vorhangs einen noch düsteren Ruf. Sie galten als Orte, an denen Dissidenten und
politische Gefangene brutalst bestraft wurden, an denen Experimente zur
Bewusstseinskontrolle viele, die ursprünglich geistig gesund, aber politisch
ungehorsam waren, in den Wahnsinn trieben.
Genau
in dieser Zeit ist die Geschichte von „SHUTTER ISLAND“ angesiedelt – am
Höhepunkt der psychiatrischen Experimente der Fünfzigerjahre und kurz vor den
Reformen der Sechzigerjahre, die zur Schließung vieler staatlicher
Nervenheilanstalten führen würden.
Um
sicherzustellen, dass der Film die psychiatrischen Leitgedanken und
Behandlungsmethoden dieser Ära auch authentisch zeigen würde, verpflichtete
Scorsese einen speziellen Berater: Dr. James Gilligan. Er hatte in den
Siebzigerjahren in Massachusetts das Bridgewater State Hospital, eine Anstalt
für psychisch gestörte Straftäter, geleitet.
Das
Bundesgericht hatte damals den Bundesstaat Massachusetts veranlasst, es
Mitgliedern der Fakultät der Harvard Medical School unter der Leitung von Dr.
Gilligan zu ermöglichen, Behandlungsprogramme für Bridgewater zu entwickeln.
Damit sollte dort die Versorgung psychisch kranker Patienten verbessert werden.
Seitdem gehörte Dr. Gilligan zu den treibenden Kräften in der Reformierung von
Einrichtungen für psychisch Kranke wie auch von Strafanstalten – und das nicht
nur in Amerika, sondern weltweit.
„Wir konnten uns glücklich schätzen, Dr. Gilligan als technischen Berater im Team zu haben. Sein Buch über Gewalt ist ein Klassiker, und er war vor Ort, als sich in den Sechzigerjahren die Zustände in den Nervenheilanstalten änderten. Er ist nicht nur ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet, sondern versteht auch, wie eine Geschichte erzählt werden muss, wie Kunst im Lauf der Zeit die menschliche Natur reflektiert hat.“ (12)
„Marty machte deutlich, dass er innerhalb der fiktiven Welt der Geschichte absoluten Realismus in der filmischen Präsentation der Anstalt wollte. In gemeinsamer Arbeit stellten wir sicher, dass die Geschichte diese fast kriegerische Auseinandersetzung in der Zunft der Psychiater Mitte des 20. Jahrhunderts widerspiegelte.
Ein Krieg zwischen den Klinikern, die solche Patienten mit neuen Methoden der Psychotherapie, Pädagogik und Medizin behandeln wollten und Kollegen, die gewalttätige psychisch Kranke für unheilbar hielten und es befürworteten, deren Verhalten zu kontrollieren. Und zwar mit Eingriffen, die in irreversiblen Gehirnschäden resultierten, darunter willkürliche Elektroschock-Anwendungen und krude gehirnchirurgische Verfahren, wie etwa Lobotomien.“ (13)
Sobald
die U.S. Marshals Teddy Daniels und Chuck Aule auf Shutter Island eintreffen,
drängt sich ihnen eine unübersehbar schaurige Atmosphäre auf, die den Terror
und die Angst, die sie in ihrem Innersten spüren, spiegelt.
Als
katastrophale Wetterbedingungen, heulende Winde und strömender Regen ihre
Ermittlungen noch dringlicher machen, werden sie mit einem Ort konfrontiert,
der mit imposanten Backsteingebäuden, langgestreckten Korridoren,
klaustrophobischen Zellen und einer felsigen, von Wasser durchtränkten Umgebung
für Desorientierung sorgt.
Um
mit realen Schauplätzen diese absolut impressionistische Welt erzeugen zu
können, musste die Ausstattungscrew für Martin Scorsese außergewöhnlich
detaillierte Designarbeit leisten. Für diese Aufgabe engagierte der Regisseur
viele, ihm loyal verbundene Kreativkräfte, mit denen er schon lange
zusammenarbeitete. Darunter auch das preisgekrönte Quartett aus Kameramann
Robert Richardson, Produktionsdesigner Dante Ferretti, Kostümdesignerin Sandy
Powell und Cutterin Thelma Schoonmaker.
Robert
Richardson, regelmäßiger Mitarbeiter Scorseses und Oscar-Preisträger für „AVIATOR“
(2004) und Oliver Stones „JFK“ (1991), fiel die Aufgabe zu, das ganze Spektrum
an visuellen Stimmungen, das man für den Film brauchte, zu evozieren: von
geheimnisvoll und verwirrend bis hin zu wütend und panisch – und das physisch
wie auch psychologisch. Richardson setzte die Kamera kreativ, geschmeidig und expressionistisch
ein. Damit wollte er ein Gefühl erzeugen, als würde man sich durch einen
spiralförmigen Nebel aus unbeantworteten Fragen und nachhaltiger Verunsicherung
bewegen.
„Ich wollte einen Weg finden, bestimmte Geisteszustände mit der Lichtsetzung, mit der Stimmung des Films und mit der Insel selbst spiegeln zu können. Der Look eines Films ist immer wichtig, aber wenn man es dabei mit dem Leben auf der Straße zu tun hat, wie etwa im Fall von DEPARTED - UNTER FEINDEN („The Departed“, 2006), findet man leichter eine visuelle Lösung.
Bei SHUTTER ISLAND dagegen musste ein Geisteszustand in jedem Bild vermittelt werden. Wir mussten einen Ort erschaffen, der mehr war als nur ein Schauplatz, und darüber diskutierte ich ständig mit Bob Richardson und Dante Ferretti. „Man erzeugt visuell ein Gefühl, dass man nicht versteht, was um einen herum passiert, wer wirklich das Sagen, wer die Kontrolle hat.“ (14)
Nach langen Gesprächen über Referenzfilme, über die Struktur des Films und seine Charaktere, begab sich Scorsese mit Ferretti und Richardson auf Scoutingtour, um einen geeigneten Schauplatz für Shutter Island zu finden. Wichtig waren dabei nicht nur die richtigen logistischen Voraussetzungen, sondern auch die richtige Atmosphäre.
Mehrere Locations an der Ostküste wurden in
Erwägung gezogen, aber schließlich zog es die Filmemacher an die ländlichen,
felsigen Küsten von Peddocks Island. Diese weniger als 160 Kilometer vor Boston
liegende Insel war vor der Ankunft europäischer Siedler von Indianern bewohnt
und wurde seit Mitte des 16.Jahrhunderts von Farmern landwirtschaftlich
genutzt.
Ähnlich
wichtig war auch die Suche nach einer Klinik oder Anstalt, mit der man das
Ashecliffe Hospital für psychisch kranke Straftäter, diesen beeindruckenden,
beunruhigenden Gebäudekomplex, auf die Leinwand bringen konnte. Diese Suche
führte die Filmemacher auf einen faszinierenden Trip durch die Geschichte der
Nervenheilanstalten.
Es
stellte sich heraus, dass unsere Vorstellungen davon, wie eine psychiatrische
Anstalt aussieht - Backsteingotik, flügelartige Turmspitzen und ausufernde
Rasenflächen - dass all das auf die ambitionierten Entwürfe von Thomas Story
Kirkbride zurückging, auf einen Arzt, der im 19.Jahrhundert an der
amerikanischen Ostküste lebte und arbeitete. Auf der Grundlage seiner später
als „Kirkbride Plan“ bekannten Entwürfe half dieser Arzt beim Aufbau einiger
psychiatrischer Anstalten in den USA.
Kirkbride
hatte die Idee, Kathedralen-ähnliche Zufluchtsorte für Menschen mit psychischen
Störungen zu entwerfen, um ihnen eine friedvolle, elegante, moralisch geordnete
Welt zu geben, an der sie sich vorbildhaft ausrichten und orientieren konnten.
Unglücklicherweise fehlte es vielen dieser Anstalten am Ende an Geld, waren sie
meist auch überbelegt. In der Folge kam es zu Vernachlässigung und Verfall,
wurde die riesigen Hallen zu unheimlichen Orten.
Einige
Anstalten wurden nach dem Kirkbride Plan in Massachusetts errichtet, doch sie
sind heute in Eigentumswohnungen umgewandelt oder absolut baufällig. Trotzdem
fanden die Filmemacher eine Anstalt, die geeignet schien: das Medfield State
Hospital in Medfield, Massachusetts, das seit den Sechzigerjahren geschlossen
und nie renoviert worden war. Obwohl diese Klinik nicht von Kirkbride entworfen
wurde, findet man dort eine ähnliche Ansammlung von zweistöckigen
Backsteinbauten, umgeben von großzügig angelegten Grünanlagen. Es war der
klassische Anstalts-Look, der als Grundgerüst für die Entwürfe von Ferretti
tauglich war.
Diese
Gebäude aber auch bewohnbar zu machen, war erst nach intensiver Vorarbeit
möglich. Ferretti benutzte Kirkbrides Entwürfe als Richtschnur für seine
Kreation, die auf beunruhigende Weise
wie der Inbegriff einer psychiatrischen Anstalt der Fünfzigerjahre aussah.
Lange vor Beginn der Dreharbeiten in Medfield präsentierte Ferretti Scorsese
und Richardson ein komplettes dreidimensionales Modell vom Ashecliffe-Gelände.
Dadurch wurde es beiden ermöglicht, Szenen vorab präzise zu arrangieren,
Schauspieler für jede Kamerabewegung zu positionieren. Noch evokativer aber als
das Modell war der reale Schauplatz.
„Meine Aufgabe war absolut klar. rty wollte Amerikanische Gotik - und so erschufen wir auf dem Gelände von Medfield Amerikanische Gotik. In diesem Stil entwarf ich verschiedene Eingänge und Ergänzungen zu bereits bestehenden Gebäuden.
Dann errichteten wir eine lange rechtwinkelige Mauer um Gebäude und Anlagen herum. Nicht nur, um einen abgeschlossenen Bereich zu erschaffen, sondern auch das Gefühl zu erzeugen, dass man sich hier an einem eingegrenzten, gefängnisähnlichen Ort befand, vielleicht sogar auf einer Insel innerhalb einer Insel.
Das wollte ich andeuten. Wir legten auf dem Gelände auch üppigen Rasen an, mit Blumenbeeten und Steingärten, die von den Patienten sorgfältig gepflegt wurden. Außerdem haben wir alle Innenräume überarbeitet und ihnen ein neues Design verpasst.
Dazu gehörten die Quartiere der Pfleger und die Ruhezonen, die Klinikkorridore, die Cafeteria, das Büro von Dr. Cawley und die Zellen der Patienten. Ich würde sagen, dass wir 60 Prozent von dem, was in Medfield zu sehen ist, von Grund auf neu gebaut haben. Sogar den Friedhof von Ashecliffe, ein Schlüsselort in der Handlung.“ (15)
Als
architektonisches Double für den beeindruckenden herrschaftlichen Wohnsitz des
Anstaltsleiters von Ashecliffe, den ein Großteil des Personals und der
Patienten nicht betreten darf, musste
der Turner Hill Golf Club in Ipswich, Massachusetts, ein Areal voller gotischer
Elemente, herhalten.
Hier,
im fürstlichen, holzverkleideten Wohnzimmer des herrschaftlichen Hauses, das
von einem riesigen offenen Kamin dominiert wurde, inszenierte Scorsese die
feindseligen Begegnungen von Teddy und Chuck sowie von Dr. Cawley und Dr.
Naehring.
Darüber
hinaus wurde die Zelle, aus der Rachel
Solando barfuß und auf geheimnisvolle Weise verschwindet, in einem Lagerhaus in
Medfield aufgebaut. Später verwandelte Ferretti eine verlassene Textilfabrik in
Taunton, Massachusetts in einen Teilbereich des Dachauer Konzentrationslagers.
Dort, umgeben von Stacheldraht, eingezäuntem Gelände und einem
heruntergekommenen Eisenbahnwaggon, wird Teddy Daniels als junger Soldat
grundlegend mit der Zerstörungskraft des Menschen konfrontiert.
Im
späteren Produktionsverlauf sorgten Visual Effects Supervisor Rob Legato, Mitglied
der Crew von „AVIATOR „(2004) und Oscar-gekrönt für „TITANIC“ (1997) und „APOLLO
13“ (1995), sowie Visual Effects Producer/Post Production Supervisor Ron Ames,
der schon bei „DEPARTED - UNTER FEINDEN“ (2006) zu Scorseses Team gehörte, für
weiteren Zauber.Das Duo streute dramatische Wolkenformationen in sonnigere
Aufnahmen ein, intensivierte die Grautöne des Films mit digitalen Nuancen.
Auch
Sandy Powell, mit der Scorsese ebenfalls schon mehrere Male zusammengearbeitet hatte, leistete ihren
Beitrag zum tiefgehenden Detailreichtum der allumfassenden Welt von „SHUTTER
ISLAND“. Die Kostümdesignerin, Oscar®-gekrönt für Scorseses „AVIATOR“ (2004)
und John Maddens „SHAKESPEARE IN LOVE“ (1998), hat Kostüme für viele Epochen
und Lebensstile entworfen, doch eine Nervenheilanstalt aus den Fünfzigerjahren
war für sie eine völlig unbekannte und ungewöhnliche Welt. Ihre Arbeit begann
mit ausführlichen Gesprächen, die sie mit Scorsese über die Charaktere führte.
„Er teilte mir seine Ideen mit, gab mir Einblicke und Richtlinien. All das erwies sich als unverzichtbar. Zum Beispiel beschieb er Teddy, den Leo verkörpert, als ‚ganz normalen, nicht besonders gut bezahlten Mann’. Da wusste ich sofort, welche Richtung ich einschlagen wollte. In SHUTTER ISLAND dreht sich alles darum, was in den Figuren vorgeht. Die Herausforderung bestand für mich also darin, glaubwürdige Kleidung für diese Reise der Schauspieler zu entwerfen.“ (16)
Bemüht
um Authentizität, suchte Powell einige Originalkleidungsstücke aus der Zeit
zusammen, doch die meisten Kostüme entwarf sie selbst.
„Die Anzugsstoffe aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren waren tatsächlich viel schwerer als heute. Deshalb mussten wir für Leos und Marks Anzüge moderne Stoffe finden, die den alten möglichst ähnlich sein mussten.
Die Anzüge haben wir also komplett selbst angefertigt. Von Dr. Naehring, den Max von Sydow spielt, hatte ich eine ausgeprägte Vorstellung. Bei ihm dachte ich an tiefes Schwarz mit einem betonten Ärmelstreifen. Weil ich aber keinen Stoff mit dem richtigen Gewicht fand, webten wir uns diesen selbst. Für die Figur von Michelle Williams griff ich jedoch auf einige Originalkleidungsstücke aus der Zeit zurück.“ (17)
© by Ingo Löchel
- (1) Bradley J.Fischer
- (2) Martin Scorsese
- (3) Leonardo DiCaprio
- (4) Leonardo DiCaprio
- (5) Mark Ruffalo
- (6) Ben Kingsley
- (7) Michelle Williams
- (8) Michelle Williams
- (9) Patricia Clarkson
- (10) Patricia Clarkson
- (11) Martin Scorsese
- (12) Martin Scorsese
- (13) Dr. Gilligan
- (14) Martin Scorsese
- (15) Dante Ferretti
- (16) Sandy Powell
- (17) Sandy Powell
Shutter Island
(Originaltitel: Shutter Island)
USA 2010
Stab
- Regie: Martin Scorsese
- Drehbuch: Laeta Kalogridis
- Kamera: Robert Richardson, ASC
- Schnitt: Thelma Schoonmaker, ACE
- Musik: Robbie Robertson
Darsteller
- Leonardo DiCaprio als Edward „Teddy“ Daniels/Andrew Laeddis
- Mark Ruffalo als Chuck Aule/Dr. Lester Sheehan
- Ben Kingsley als Dr. John Cawley
- Max von Sydow als Dr. Jeremiah Naehring
- Michelle Williams als Dolores Chanal
- Emily Mortimer als Rachel Solando 1
- Patricia Clarkson als Rachel Solando 2
- Jackie Earle Haley als George Noyce
- Ted Levinea als Anstaltsleiter
- John Carroll Lynch als Deputy McPherson
- Ruby Jerins als kleines Mädchen
- Elias Koteas als Andrew Laeddis
FSK: Ab 16 Jahren
Laufzeit: 126 Minuten
Deutscher Kinostart: Am 25. Februar 2010
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