Ingo Löchel: Herr Toelcke, können Sie kurz etwas über Ihre Person erzählen? Wann und wo wurden Sie geboren, wo gingen Sie zur Schule etc.?
Ingo Löchel: War es von Anfang ihr Wunsch gewesen, Schauspieler zu werden oder hatten Sie als Jugendlicher einen anderen Beruf ins Auge gefasst?
Werner Toelcke: Diesen schwerwiegenden Entschluss fasste ich mit 15. Und damit mich auch nichts auf andere Ideen brachte, gründete ich an der Oberschule in Glauchau/Sachsen, wo ich von 1943-49 lebte, gleich mal eine Laienspielgruppe.
Ingo Löchel: An welcher Schule machten Sie Ihre Schauspieler-Ausbildung?
Werner Toelcke: Deutsches Theaterinstitut Weimar.
Ingo Löchel: Können Sie sich noch daran erinnern in welchem Stück und mit welcher Rolle Sie ihr Bühnen-Debüt gaben?
Werner Toelcke: Der Intendant vom Stadttheater Glauchau war begeistert von unserer Laienspielgruppe und besetzte mich mit einer Rolle in dem Volksstück vom Stülpner Karl. Ich war inzwischen 19 und spielte einen Oberförster von mindestens 60 mit langem Bart. Der Theaterfriseur hatte mit meinem Gesicht viel Arbeit. Nach diesem Debüt ging ich dann doch lieber nach Weimar auf die Schauspielschule.
Ingo Löchel: Waren sie danach vorwiegend in klassischen oder in modernen Stücken auf der Bühne zu sehen?
Werner Toelcke: An den Theatern, an denen ich spielte, nämlich Magdeburg, Erfurt, Staatstheater Dresden und Volksbühne Berlin spielte man querbeet, mal klassisch, mal modern, wie´s kam. In meinem Fall waren es die jugendlichen Liebhaber.
Ingo Löchel: In den 1950er Jahren gaben Sie Ihr Film-Debüt. Auf diversen Seiten werden dabei diverse Filme und Jahre genannt. So u. a. der OCHSE VON KULM (1954 oder 1955) bzw. KEIN HÜSUNG (1952). Können Sie sich noch an Ihren ersten Film bzw. Ihre erste Filmrolle erinnern?
Werner Toelcke: Wenn ich an KEIN HÜSUNG, 1952, denke, übrigens nach einem Buch von Fritz Reuter, habe ich leicht bittere Erinnerungen. Der Film wurde bereits während der Dreharbeiten verboten. Wahrscheinlich kam nicht richtig zum Ausdruck, wie sehr die arme Landbevölkerung vom adligen Gutsherren ausgebeutet und unterdrückt wurde.
Ingo Löchel: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Werner Toelcke: Aus Protest! Ich musste seinerzeit in Magdeburg in einem hundsmiserablen Weihnachtsmärchen mitspielen und sagte der Autorin, dass ich ein besseres Stück schreiben würde. Was ich auch tat.
Ingo Löchel: Sie erwähnen auf Ihrer Seite das Bühnenmärchen PETER PETZ, dass der Henschel Verlag ablehnte? Aus welchen Gründen?
Werner Toelcke: Die Leute vom Henschelverlag, übrigens der einzige Theaterverlag in der DDR, meinten, das Stück sei einfach zu schlecht. Man sollte niemandem so einen Dreck vorsetzen.
Ingo Löchel: Können Sie kurz etwas zum Inhalt des Stückes verraten?
Werner Toelcke: Die wunderschöne Freundin des Helden wird vom bösen Nordwind entführt. Das Mädchen ist so traurig darüber, dass sie den Nordwind nicht einmal anschauen mag. Das macht den Wind derartig wütend, dass er den Menschen das Licht ausbläst, vor allem auf dem Weihnachtsmarkt.
Kein buntes Treiben mehr, kein Karussell. Überhaupt kein Weihnachtsfest, weil dieser blöde Wind an allen Weihnachtsbäumen immerzu die Lichter ausbläst. Da macht sich unser Held auf den Weg, um den Nordwind zu besiegen und sein Mädchen zu befreien. Neben ihm marschiert sein Teddybär, der natürlich sprechen kann und überhaupt sehr mutig ist. Der Bär heißt Peter Petz.
Ingo Löchel: Wenige Monate nach der Ablehnung kam das Stück doch zu seinem Recht. Es wurde als Doppeluraufführung am Städtischen Theater Leipzig sowie am Stadttheater Meiningen uraufgeführt. Wie kam es dazu?
Werner Toelcke: Ich haute in die Tasten meiner Reiseschreibmaschine ´Erika´, bis meine Finger wund waren. Kopierer waren in jener Vorzeit noch nicht erfunden. Heraus kamen mehrere Manuskripte von ´Peter Petz´. Ich schickte sie an einige Theater. Meiningen und Leipzig wollten beide die Uraufführung und einigten sich auf denselben Tag.
Ingo Löchel: Das Stück scheint damals ein großer Erfolg gewesen zu sein. Zudem wurde es in den nachfolgenden Jahren in vielen Theatern ebenfalls aufgeführt, wurde für das Fernsehen adaptiert und kam im Deutschen Fernsehfunk als Fernsehspiel heraus. Wann und unter welchen Namen kam das Stück auf die Bühne bzw. wurde es verfilmt? Was machte Ihrer Meinung nach den Erfolg des Stückes aus?
Werner Toelcke: Es hieß ´Peter Petz.´ und kam 1957 auf die Bühne, Anfang der Sechziger ins Fernsehen. Die Theaterdramaturgen spürten im Gegensatz zu den Leuten vom Henschelverlag, dass beim Schreiben ein Schauspieler zugange gewesen war. Die Dialoge waren gut. Er hatte die richtige Mischung aus Aktion, Gemüt und Humor getroffen.
Viele Kollegen erzählten mir später, dass sie den Peter Petz in Weimar, Magdeburg, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) usw. mit Begeisterung gespielt hatten. Und einige hatten auch beobachtet, wie Kinder diesen Peter Petz auf der Straße nachspielten. Was will ein Autor mehr.
Ingo Löchel: Ist das Stück identisch mit dem Buch DER ZERBROCHENE WEIHNACHTSENGEL, das 1955 erschienen ist?
Werner Toelcke: Nein.
Ingo Löchel: Wovon handelt das Buch DER ZERBROCHENE WEIHNACHTSENGEL? Können Sie den Lesern des Ingo Löchels etwas zum Inhalt verraten?
Werner Toelcke: Als ich den ZERBROCHENEN WEIHNACHTSENGEL zum ersten Mal unter meinem Namen bei Amazon auftauchen sah, war ich sehr verwirrt. Das Ding hast du nie geschrieben, dachte ich. Außerdem wird es für 14 Euro noch was angeboten, während deine sonstigen Bücher antiquarisch eigentlich 0,01 Euro kosten. Das Ding muss ein richtiger Autor geschrieben haben, dachte ich ein bisschen neidisch. Ich war´s aber doch, schließlich kam ich drauf. Als ich nämlich noch ein junger Schauspieler am Staatstheater Dresden war, betreute ich eine Laienspielgruppe. Wir suchten nach einem Weihnachtsspiel und fanden keins. Da habe ich es für die Jugendfreunde (offizieller Ansprech für FDJ-Mitglieder!) selbst geschrieben. Man darf mich aber nicht nach dem Inhalt fragen. Ich hab´s vergessen.
Ingo Löchel: 1963 schrieben Sie das Drehbuch zum erfolgreichen TV-Zweiteiler TOTE REDEN NICHT und übernahmen zudem die Rolle des Polizisten Weber in dem Fernsehfilm. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fernsehfunk?
Werner Toelcke: Der Dramaturg vom Peter Petz - Uraufführungstheater in Meiningen arbeitete seit 1960 beim Fernsehen der DDR. Er ließ nicht locker, bis ich mich als Fernsehautor versucht hatte.
Ingo Löchel: Waren sie von Anfang an für die Rolle des WEBER im Gespräch oder standen noch andere Schauspieler in der engeren Wahl?
Werner Toelcke: Immer nur ich. Ich hatte den Film schließlich geschrieben und war Schauspieler an einem der großen Berliner Theater. Ich hatte es geschafft.
Ingo Löchel: Wie kamen Sie auf die Idee zu dem Krimi und warum wurde Hamburg als Schauplatz des Kriminalfalles ausgesucht, was doch ziemlich Einzigartig für das DDR-Fernsehen war?
Werner Toelcke: Im August ´61 bauten sie die Mauer. Sie verboten mir, in meine Heimatstadt zu fahren. Da baute ich mir ein virtuelles Hamburg in meinen Kopf. Geschichten kamen heraus. Krimis, die in Hamburg spielten, in dieser schrecklich kapitalistischen Gesellschaft. In der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, in der die DDR-Bürger leben durften, gab es natürlich keine Morde mehr. Nur noch Kaninchendiebstähle.
Ingo Löchel: Wo wurden die WEBER-Filme hauptsächlich gedreht? In der Umgebung von Berlin? Oder wurde - je nach Handlung - auch im 'Ausland' gedreht?
Werner Toelcke: Berlin, Potsdam, Babelsberg, Bulgarien, teilweise auch in Hamburg.
Ingo Löchel: Die WEBER-Filme wurde teilweise auch in Hamburg gedreht? Gab es da keine Probleme wegen der Drehgenehmigung in den Western oder seitens der Regierung der DDR?
Werner Toelcke: Das ist ja das Schöne an einer Demokratie. Da kann jeder machen, was er will. Fast alles! In unserem Fall der Drehs in Hamburg brauchten wir nur einen selbstständigen Kameramann mit bundesdeutschen Papieren, der die Aufnahmen eigentlich machen sollte. Natürlich machte er sie nicht. Hinter der Kamera stand der ostdeutsche Kameramann. Der westdeutsche stand neben ihm. Falls mal einer käme. Es kam aber keiner. Halt, doch! Einmal war es soweit.
Eines Morgens stand unser Produzent vor der Pension in St. Georg auf der Straße und strich das Dach unseres Leihwagens mit roter Farbe an. Das rote Dach brauchten wir, weil unser Original-Spielauto in der DDR so eins hatte. Die Westler hatten als Leihwagen aber nur glatt beige.
Der Produzent strich also mit einem breiten Pinsel übers Dach und war beinahe fertig, als der Peterwagen eintraf. Die Polizisten guckten lange in die Papiere aus Potsdam-Babelsberg, ließen sich auch die Lizenz des westdeutschen Kameramanns zeigen, starrten dann auf das rote Autodach und grinsten. Sie sagten schließlich: Dann drehen Sie mal hübsch Ihren Krimi. Das blutende Auto haben sie ja schon.
Ingo Löchel: Wie war die Zusammenarbeit mit den Regisseuren und den Kollegen? Gab es Regisseure und Kollegen mit denen Sie besonders gut zusammenarbeiten konnten oder wo die Chemie von Anfang an stimmte?
Werner Toelcke: Es war wie überall im Leben, manche Leute konnte man gut riechen, andere weniger gut. Meine Partnerinnen gefielen mir übrigens immer. Denke ich heute wenigstens.
Ingo Löchel: Wie veränderte die Rolle des WEBER Ihr weiteres Leben bzw. Ihr Leben als Schauspieler, als Autor und Drehbuchautor?
Werner Toelcke: Total! Durch das Publikum wurde der Privatdetektiv Weber zu einem Hit. Heute würde man vielleicht sagen: Der Bursche war ziemlich cool. Natürlich hatte diese Akzeptanz große Auswirkung auf mein weiteres berufliches Leben. Ich wurde diesen Weber nicht mehr los. Wollte es wohl auch gar nicht.
Ingo Löchel: Es gab ja offiziell in der DDR kein Verbrechen. Veränderten die WEBER-Filme in Bezug auf nachfolgende Kriminalfilme bzw. auf nachfolgende Kriminalserien die ostdeutsche Fernsehkultur bzw. Fernsehlandschaft?
Werner Toelcke: Glaub ich eher nicht. Die Gesellschaft veränderte sich insgesamt, wie es jede Gesellschaft tut. Zunächst gab es keine Verbrechen, weil die reine kommunistische Lehre die einfach nicht vorsah.
Phase zwei: Hin und wieder gab es mal einen Mord im Fernsehen zu sehen, aber der Täter kam natürlich aus dem kapitalistischen Ausland, vorzugsweise aus der bösen BRD. Phase drei: Allmählich tauchte schon mal ein eigener Schlitzer auf. Schießer nicht. Revolver waren im Friedensland DDR strikt verboten.
Ingo Löchel: TOTE REDEN NICHT avancierte (ähnlich wie DAS HALSTUCH in Westdeutschland) in der DDR zum Straßenfeger. Worauf ist Ihrer Meinung nach der Erfolg des Krimi-Zweiteilers zurückzuführen?
Werner Toelcke: Das ostdeutsche Fernsehen musste sich jeden Abend der Konkurrenz von ARD und ZDF stellen. Man tat alles, damit die Zuschauer nicht auf die Westkanäle umschalteten. Meine Geschichten gehörten wohl zu der Sorte von Filmen, mit denen man die Zuschauer auf dem Ostkanal halten konnte. Die Einschaltquoten lagen bei mir zwischen 70-80%.
Ich weiß bis heute nicht, wie sie es gemessen haben. Auf jeden Fall existierten diese Zahlen. Obwohl in Schwarzweiß gedreht, schienen meine Filme farbiger zu sein. Die Dialoge nicht so hölzern. Die Protagonisten ein klein bisschen cooler.
Es musste natürlich ein Schuss Gesellschaftskritik in die Geschichten, sonst wären sie nicht verfilmt worden. Es war ein Drahtseilakt für den Schreiber. Sein Produkt musste dem kommunistischen Funktionär genügen und dem Zuschauer vorm Schirm festhalten. Ich fiel mit meinen Filmen nicht vom Seil herunter.
Werner Toelcke: Wenn ich das noch wüsste! Anfangs hatte ich es wohl schlicht und einfach vergessen, das mit dem Vornamen. Später fand ich es vielleicht ganz schick, dass er nur Weber hieß. Die Frage nach dem Vornamen wurde mir schon oft gestellt. In meinem neuen Roman „Claire im Oktober“ thematisiere ich das sogar. In dem Buch, das man jetzt bei Amazon herunterladen kann, wird ein alt gewordener Weber nach seinem Vornamen gefragt und er antwortet, er habe niemals einen gehabt.
Ingo Löchel: Gab es bei den Dreharbeiten oder in Bezug auf die WEBER-Filme besondere Ereignisse an die sich heute noch besonders gut erinnern
Werner Toelcke: Während der Dreharbeiten zu TOTE REDEN NICHT starb der Kriminalkommissar. Eine wichtige Szene mit ihm war erst zur Hälfte fertig. Was tun? Ich brachte quasi über Nacht einen zweiten Kriminalkommissar in den Film, der die Aufgaben des ersten übernahm. Was aber tun mit der erst zur Hälfte fertigen Szene? Der alte Kommissar konnte ja nicht einfach aus dem Bild verschwinden.
Also ließen wir ihn beim Filmschnitt in der Endfertigung immer mal wieder aus seinem Sessel aufstehen. Wir nahmen dafür eine vorhergehende Sequenz, die im Film auch schon gezeigt worden war. Mehrmals und immer wieder stand unser toter Kommissar aus dem Sessel auf, und keiner hat den Schwindel bemerkt. So blieb der Kommissar mitten in der Filmhandlung, obwohl er selbst längst in seinem Sarg lag.
Ingo Löchel: In TOTEN REDEN NICHT ist WEBER ja noch ein Beamter bei der Hamburger Kriminalpolizei. In BOTSCHAFTER MORDEN NICHT, dem fünften Film der WEBER-Reihe ist er als Privatdetektiv tätig. Aus welchem Grund und in welchen TV-Mehrteiler quittierte Weber den Dienst und wurde Privatdetektiv?
Werner Toelcke: Im zweiten Film DOPPELT ODER NICHTS wurde aus dem Kriminalassistenten Weber plötzlich der Privatdetektiv Weber. Ich hab´s nie erklärt. Sein gutes Verhältnis zu seinen Kriminalkommissaren blieb allerdings erhalten. Der neue Kommissar aus TOTE REDEN NICHT war im 3. Film ER GING ALLEIN auch wieder mit dabei.
Ingo Löchel: Bei den WEBER-Filmen arbeiteten Sie mit unterschiedlichen Regisseuren wie Helmut Krätzig, Hans-Joachim Hildebrandt, Günter Stahnke oder Georg Leopold zusammen, die vermutlich unterschiedlich an die Filme herangingen. Wie unterschied sich die Arbeit mit diesen Regisseuren?
Werner Toelcke: Bei allen charakterlichen Eigenheiten muss ein Regisseur ein guter Kommunikator sein. Da gibt es ja viele unterschiedliche Fachgruppen, die er alle integrieren muss. Und er muss ein gutes Arbeitsklima am Set schaffen, wenn ein anständiger Film dabei herauskommen soll. Das wissen die Regisseure. Ich bin mit allen ausgekommen.
Zudem weiß ein Autor, der gleichzeitig Hauptdarsteller ist, dass ihm bei Drehbeginn sein Baby aus der Hand genommen wird. Ein Anderer gibt ihm nun die Flasche. Am Set ist für große Diskussionen keine Zeit. Die Produktionskosten pro Drehtag sind viel zu hoch.
Ingo Löchel: Hatten Sie eigentlich als Drehbuchautor, Erfinder der Figur des WEBER sowie als Hauptdarsteller in irgendeiner Form Mitspracherecht bei den Filmen? Eventuell auch in Bezug auf die Besetzung?
Werner Toelcke: Nach dem Manuskript, das ich allein verfasste, ging es ans Schreiben des optischen Drehbuchs. Das machten der jeweilige Regisseur und ich immer gemeinsam. Hier wurden Charakter und Schwerpunkt der einzelnen Szenen festgelegt. Das ging bis zu den Kamerapositionen. Es war eine Gemeinschaftsarbeit, die lange dauerte.
Bei der Besetzung ging es manchmal zu wie auf dem Basar. Etwa so: Nimmst du für diese Rolle meinen Schauspieler, akzeptiere ich für die andere deinen Liebling, obwohl ich ihn eigentlich nicht ausstehen kann. Beispielsweise musste ich den Regisseur Leopold lange überreden den portugiesischen Kommissar in BOTSCHAFTER MORDEN NICHT zu spielen. Georg Leopold war ja auch Schauspieler, und er hat die Rolle gut gespielt.
Ingo Löchel: Hat es Sie nie in den Fingern gejuckt, selbst einmal Regie zu führen?
Werner Toelcke: Gejuckt hat es mich schon, aber ich habe mich letztlich nicht getraut. Ich war mir nicht sicher, ob ich so viele unterschiedliche Menschen unter einem Dach zusammenbringen konnte.
Ingo Löchel: Aufgrund des Erfolges der Weber-Krimis folgten bis 1971 bzw. 1972 fünf weitere TV-Produktionen mit Weber. Der TV-Film EIN MANN, DER STERBEN MUSSTE, war die letzte Verfilmung. Warum wurden die Produktion der Weber-Krimis eingestellt? Waren sie nicht mehr zeitgemäß?
Werner Toelcke: Der Privatdetektiv Weber avancierte zu so etwas wie einer Kultfigur. Viele DDR-Bürger identifizierten sich mit ihm. Das war den kommunistischen Funktionären immer ein Dorn im Auge gewesen. Ein westdeutscher Bürger eignete sich nun wirklich nicht als Identifikationsfigur für Bürger der DDR. 1971 war es dann soweit, sie ermordeten mein zweites Ich.
Ingo Löchel: Worum geht es in EIN MANN, DER STERBEN MUSS, dem letzten WEBER-Film, der ja leider bisher, wie einige andere, noch nicht auf DVD erschienen ist?
Werner Toelcke: Dies war ja der Film, in dem die Oberbonzen meinen Privatdetektiv Weber gekillt haben. Ich habe den wohl weitgehend verdrängt. Ich kann nicht einmal mehr was über den Inhalt sagen. Ich hab´s vergessen.
Ingo Löchel: Neben den WEBER-Krimis schrieben Sie auch Drehbücher für die TV-Fime RÜCKKEHR ALS TOTER sowie INKLUSIV TOTENSCHEIN. Waren das alles Krimis und spielten Sie darin ebenfalls mit?
Werner Toelcke: RÜCKKEHR ALS TOTER und INCLUSIVE TOTENSCHEIN waren auch Krimis. Es waren ´Privatdetektiv Weber – Nachfolge - Geschichten. Die Produktionsabstände wurden jetzt viel größer, nämlich 1973 und 1977. Ich war dabei, mich aus dem DDR-Leben zu verabschieden. Nach INCLUSIVE TOTENSCHEIN habe ich keinen Film mehr für das DDR-Fernsehen gemacht. Ich war extrem misstrauisch geworden.
Ich lebte hinter den Köpenicker Wäldern am kleinen Müggelsee und kam oft wochenlang nicht in die Stadt. Ich schrieb nun Romane. Aber das Misstrauen blieb. So nahm ich auch vom Buchverlag erst dann ein Honorar entgegen und gab die Rechte aus der Hand, nachdem alles fix und fertig war und sie mir zusicherten, dass das Manuskript so gedruckt würde, wie ich es geschrieben hatte. Merkwürdigerweise ging man darauf ein.
Ingo Löchel: Waren Sie darin ebenfalls als Polizist oder Privatdetektiv zu sehen?
Werner Toelcke: In den letzten beiden Filmen gab es ja keinen Weber mehr. Ich schilderte jeweils Menschen, die in kriminelle Angelegenheiten verwickelt wurden und sich auf die Tätersuche machten, bevor es ihnen selbst an den Kragen ging.
Es waren ´Ersatz-Weber´. Ich denke mal, dem Publikum war es egal. Die sahen ja mich, den ehemaligen Weber, im Mittelpunkt des Films. Ob der Kämpfer gegen das Verbrechen nun Weber oder sonst wie hieß, war ihnen schließlich wohl egal.
Ingo Löchel: Gibt es neben der Figur des Weber eine weitere ‚Lieblingsrolle‘, die sie in Film oder Fernsehen bzw. auf der Bühne gespielt haben?
Werner Toelcke: Neben den Weber-Filmen trat ich in ca. fünfzig weiteren Produktionen auf. Highlights waren Hauptrollen in Stücken von Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Curt Goetz und Oskar Wilde.
Ingo Löchel: 1965 erschien die Romanfassung von TOTE REDEN NICHT. Danach folgten die Romane AUSWEG MORD (1966), ER GING ALLEIN (1968), DIE CHANCE (1978), TÖTEN IST SO LEICHT (1978), DIE OPERATION (1980) und DAS GESICHT DES MÖRDERS (1981). Handelt es sich bei den Romanen alle um Kriminalromane mit WEBER und basieren sie alle auf den TV-Filmen mit dem Protagonisten?
Werner Toelcke: Den frühen Romanen bis 1968 bin ich nie ein guter Vater gewesen. Als ich nach 1977 keine Filme mehr für das DDR-Fernsehen schreiben wollte, wandte ich mich intensiv dem Romanschreiben zu. DIE CHANCE verwurstet die Filmstory RÜCKKEHR ALS TOTER und der Roman TÖTEN IST SO LEICHT lag dem Film INCLUSIVE TOTENSCHEIN zugrunde.
Die letzten beiden Romane DIE OPERATION und DAS GESICHT DES MÖRDERS sind Originalgeschichten und wurden nie verfilmt.
Ingo Löchel: 1981 waren sie in BESUCH EINES HERRN in ihrer letzten Film- und Fernsehrolle zu sehen. Drei Jahre später verließen sie mit ihrer Familie die DDR. Was war der Grund für die Ausreise?
Werner Toelcke: Anfang der Siebziger öffnete Solschenizyn meiner Frau und mir die Augen über den Kommunismus. Konnte die DDR mit seiner kommunistischen Staatsdoktrin länger ein Land sein, in dem wir leben und unsere Kinder großziehen wollten? Diese Frage stellten wir uns immer wieder. Die Biermann-Affäre verstärkte den Entschluss, die DDR zu verlassen. 1984 reisten meine Frau, die Kinder und ich aus der DDR aus.
Ingo Löchel: Danach halfen Sie ihrer Frau in ihrer Arztpraxis und stellten ihre Arbeit als Schauspieler, Drehbuchautor und Autor größtenteils ein. Ihr letztes Drehbuch schrieben Sie 1988 für den ZDF-Fernsehfilm DIE LETZTE FAHRT DER SAN DIEGO. Was war der Grund für die längere künstlerische Pause?
Werner Toelcke: Nach dem Verlassen der DDR befand mich jahrelang in einer Schreibblockade. Natürlich erkannte ich die nicht. Das ist auch schwer, wenn man mitten in ihr lebt. Hervorgerufen war sie durch die Ereignisse der siebziger Jahre. Nachdem ich nach 1977 nicht mehr fürs Fernsehen schreiben wollte, wurde ich als Schauspieler kaltgestellt. Das warf einen langen, langen Schatten.
Ingo Löchel: 2012 besuchten Sie aufgrund der Veröffentlichung der Straßenfeger-Box 44 und dem darauf enthaltenen Interview mit Ihnen, die Studios in Babelsberg. Wie war es nach so langer Zeit wieder Babelsberg zu betreten? Kamen Erinnerungen an bestimmte Filmszenen etc. hervor?
Werner Toelcke: Ich ging über den ´Billy Wilder Platz´ zur großen Tonhalle hinüber, die jetzt ´Marlene Dietrich Halle´ heißt. Hier wurde der ´Blaue Engel´ gedreht. Wir haben in dieses riesige Innenatelier mal ein ganzes Hotel gesetzt. Drei Stockwerke hoch. Restaurant und Hotelempfang. Großer Treppenaufgang und Zimmer im ersten Stock, wo man die Leiche fand. Treppe zum zweiten Stock, über die der Privatdetektiv Weber aufs Dach flüchtete. Toller Bau!
Als ich letzten Sommer in die Halle kam, war sie sauber ausgefegt. Und völlig leer! Immerhin bin ich vor Jahrzehnten dort gewesen, habe in ihr viel gearbeitet. Lange Zeit war es okay gewesen, manchmal sogar schön. Dafür bin ich dankbar!
Ingo Löchel: Herr Toelcke, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
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